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Das Prinzip Michael Frese

Lautsprecher 191 – der „Was mit Reisen“-Standpunkt

cropped-drensek_kommentar.jpgAls Journalist lernt man es ganz am Anfang des Volontariats: Menschen machen Nachrichten. Oder auch: Menschen sind Nachrichten. Es ist die Personalisierung von Ereignissen, die komplexe Zusammenhänge begreifbarer erscheinen lässt. Nicht nur in diesen Tagen. Wer Nachrichten konsumiert, weiss, worüber ich spreche. Es sind Köpfe, die stellvertretend stehen für Konflikte, Krisen oder auch Klugheit von Entscheidungen.
Aber auch in der Touristik menschelt es gerade sehr. Vor einigen Tagen war ich eingeladen zur großen Abschieds-Gala für Michael Frese, dem Mr. Dertour. Ein hochrangiges Schaulaufen der Mover und Shaker aus der Reisebranche mit vielen, aus dem Herzen kommenden, Lobpreisungen für einen Manager mit Persönlichkeit, der viele Jahrzehnte im deutschen Veranstalter-Tourismus arbeitete und ihn zuletzt in Führungsposition prägte.
Ich hatte sogar das Glück, noch mehr Zwischentöne über Michael Frese zu erfahren, weil die Dertouristik mich vor Monaten bat, ganz konspirativ Wegbegleiter vor Kameras zu befragen und eine muntere Collage aus den schönsten Momenten als Überraschungsfilm für ihn auf der Gala zu präsentieren.
Dabei fiel mir auf, wie sehr Michael Frese, trotz all seiner Ecken und Kanten, seiner kleinen Schrulligkeiten und cholerischen Momente, geschätzt, ja fast verehrt wurde, wegen seiner Menschlichkeit, persönlichen Bescheidenheit und geradezu Besessenheit für ein gutes Produkt, das sich – natürlich neben der kapitalistisch nicht verwerflichen, überzeugenden Kostendeckung  – nur an einem orientieren sollte: der Befriedigung der individuellen Reisewünsche seiner Kunden.
Michael Frese steht für eine Generation von Touristik-Managern, die die professionelle Landverschickung noch von der Pike auf gelernt und verinnerlicht haben. Diese jetzt in die Jahre kommenden Führungskräfte begannen selbst ihre Karriere oft bei Vertrieb und Produkt, haben viele langjährige, persönliche, oft sogar freundschaftliche Kontakte aufgebaut und erlaubten sich auch deshalb bis zum Schluss, ein offenes Ohr zu haben für die Stimmen „von unten“.
Diese Fähigkeit ist es vielleicht auch, die in den kommenden Jahren eine Renaissance erleben dürfte, wenn es darum geht, ob sich etablierte Veranstalter gemeinsam mit dem Stationären Vertrieb ihre Berechtigung erhalten gegenüber der Maschinen-getrieben Paketierung durch die Internet-Konkurrenz.
Der Karriereweg von Michael Frese ist da ein schönes Anschauungsmaterial. Am Anfang gab es im Reisebüro quasi nur den Notizblock und das Telefon, mit den nostalgischen Zwischenschritten möchte ich Sie nicht langweilen, und heute geht fast alles per Fingertipp und App in Echtzeit und weltweit. Das sind natürlich andere Herausforderungen für das Management.
Aber ich habe als Beobachter von außen manchmal den Eindruck, in den Führungsetagen  tummeln sich heute zunehmend Spezialisten, die Probleme eher prozess-orientiert verstehen. Getrieben von den technischen Herausforderungen und fokussiert auf die Ertragsoptimierung. Das ist sicher nicht falsch. Schließlich, nur, wer im Produkt konkurrenzfähig ist bei der Preissensibilität des Marktes, wird auch Umsatz generieren. Aber vielleicht vernachlässigen einige der etablierten Player ein bisschen den Kontakt zur Basis, die ihnen aus Mangel an eigener Erfahrung fremd geblieben ist. Oder hören Praktikern auf ihrer Etage nicht zu, weil sie ihnen so vorgestrig vorkommen…
Das gerade frische Beispiel Oberursel könnte als Indiz herhalten. Technisch hat man bei Thomas Cook sicher rasant aufgerüstet und modernisiert. Gleichzeitig gab es aber immer wieder Scharmützel mit dem Vertrieb, der sich nicht gehört und verstanden fühlte. Ich möchte jetzt gar nicht Partei ergreifen. Nur die Frage stellen, warum ein durchaus gutes, oft sogar modernes Produkt, bisher diese Saison so underperformed hat. These: Vielleicht wäre das einem Michael Frese mit seinem Radar für das Ganze und seinem altmodischen Teamgeist nicht passiert.
Aber deshalb gab es im Mai auch zwei Abschiede im Frankfurter Raum. Und nur einer war glanzvoll…

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