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Air Berlin – schon eine Trauerrede?

Lautsprecher 215 – der „Was mit Reisen“-Standpunkt

cropped-drensek_kommentar.jpgEs steht nicht gut um Air Berlin. Das ist nun, zugegeben, keine brandneue Erkenntnis.. Diese Woche gab es nun den großen Knall. Man könnte sagen: Im Kern wird die ehemals stolze Airline pulverisiert. Gerade noch 75 Flugzeuge bleiben übrig. Der Rest bekommt eine andere Lackierung und fliegt inklusive Besatzung, aber unter neuem Logo und Look &  Feel vermietet entweder für Eurowings oder die neue Urlaubsflieger-Gruppe, die vielleicht TUI Fly heissen wird. Air Berlin möchte sich auf den Geschäftsverkehr konzentrieren, auf lukrative Langstreckenverbindungen und natürlich den Zubringer für Etihad Airways nach Abu Dhabi. Schwerpunkt der Planung werden dabei die Drehkreuze Berlin und Düsseldorf. Die Schokoherzchen-Fluglinie, die als Vollsortimenter die Lufthansa, aber auch die drängeligen Billigflieger seit Jahren nervte, und die zum Beispiel mit ihrem Mallorca Shuttle die Baleareninsel ganzjährig quasi zum 17. deutschen Bundesland gemacht hat, hört in dieser Funktion auf, zu existieren.

Als Verbraucher muss man diese Entwicklung bedauern. Air Berlin hat sich nach den Anfangsjahren, als sie in den Veranstalter-Katalogen eher als ramschige Alternative zu TUI Fly, LTU Condor und anderen Ferienfliegern empfunden wurde, zu einem aus Kundensicht sympathischen Carrier entwickelt. Speziell als Viel-Fliegender aus Berlin hat man sie irgendwie ins Herz geschlossen. Denn während Lufthansa die Hauptstadt bis heute nicht mag, stand Air Berlin weitestgehend für das Tor zur Welt. Selbst zu Destinationen, zu denen man in Lebzeiten gar nicht daran dachte, dorthin zu reisen.

Abgesehen von der Baracke in Tegel, die immer ein wenig das „letzter Flug aus Casablanca“-Feeling ausstrahlte, verteidigte die Berliner Haus-Airline das Image, immer ein wenig freundlicher und Service-orientierter zu sein, als der Kranich. Und vor allem angenehmer, als die Ryanairs und Easyjets des Marktes, die eh auf dem ungeliebten Zonen-Flughafen im Südosten starten und landen mussten.

Als Kunde, der sich in der Regel ohne Fachwissen und Hintergrund-Informationen kein Urteil über das marode Räderwerk hinter der Kulisse des Flugbetriebs erlauben kann, empfindet man die Entwicklung überraschend. Die Maschinen waren schließlich gefühlt immer gut gefüllt, die Preise zwar leicht unter Lufthansa-Niveau, aber immer noch spürbar teurer als die No-Frills-Alternativen. Wie können sich da Schulden von gut 900 Millionen Euro anhäufen? An den Manner Schokoladenkeksen, alternativ der warmen Laugenstange oder den Kartoffelchips und den Softdrinks kann es sicher nicht gelegen haben.

Die als Pressemitteilung getarnten blumigen Vernebelungsversuche aus dem Satzkästlein der Bös-PR bringen da auch keine Aufklärung. Es sind 55 Zeilen Worthülsen, die eher Fragen aufwerfen, als sie beantworten. Kein Wunder, dass nach dieser Meisterleistung schlechter Krisenkommunikation eher Panik auf der Kundenseite ausbrach und Stefan Pichler höchstselbst, nach einem bemerkenswert unsouveränen Auftritt in einer Schaltkonferenz mit Fachjournalisten, eine Beruhigungsmail nachschicken musste. Bei vielen Kunden – und vielleicht auch Reisebüros -blieb nämlich nur hängen „Halbierung“ und „Ferienflug weg“. So schnell kann in der öffentlichen Wahrnehmung eine seit Jahren angesehene Airline zum Wackelkandidaten mutieren, der womöglich nächstes Jahr schon mich nicht mehr zu meinem Urlaub fliegt, obschon ich doch gezahlt habe.

Auch der Leiter des Meilenprogramms Topbonus musste beschwichtigen durch die Betonung des Selbstverständlichen: dass die Meilen nicht weg sind und die Privilegien bleiben. Na ja, bei kaum noch Strecken im Programm dürfte künftig das Einlösen der Gutschriften bei guter Buchungslage – Air Berlin sei’s gewünscht – nichts desto trotz schwierig werden. Aber das größte Päckchen wird die Belegschaft zu tragen haben. Trotz Manteltarif-Vertrags dürften weit über 1000 ihren Arbeitsplatz verlieren. Das ist das Tragische an der geplanten „schlankeren und effizienteren Air Berlin, diesem fokussierten Netzwerk Carrier mit klarem Profil“ – trotz der Schokoherzen, die es natürlich weiter geben soll. Na, dann bleibt ja wohl doch alles gut…

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