Touristik Talk

Wasmitreisen - Das erste Reiseradio für Profis im Internet

Touristik Talk

Hintergrund, Klatsch und Service für Touristik-Profis

Ägypten – das war’s jetzt?

Lautsprecher 180 – der „Was mit Reisen“-Standpunkt

cropped-drensek_kommentar.jpgIch bin gerade etwas verunsichert von den Nachrichten, die uns aus Ägypten erreichen. Und das war’s jetzt? Drei Jahre nach der Revolution, und alles wird so wie früher? Umgekehrt wie bei Monopoly? Verlassen Sie das Gefängnis, kommen Sie über Umwege wieder zurück, machen Sie sich fertig für das neue Los und ziehen sie wieder mehr als 4000 Mark ein..?
Nach unserem Rechtsverständnis ist es ein juristisches Irrenhaus, das am Nil den Eid auf Verfassung, Gerechtigkeit und Unbestechlichkeit schwört. Richter, bei denen sich Amtskollegen aus demokratischen Ländern demonstrativ abwenden müssten, weil sie die Jurisprudenz zu einer Farce verkommen lassen.
Ein Todesurteil löst sich in Luft auf. Nicht, dass ich es unterstützt hätte. Es war genauso barbarisch, wie jetzt der Freispruch im Angesicht der Opfer. Und obwohl mir die Ideologie der Muslimbrüder und Salafisten zuwider ist, kann man jetzt nur hoffen, dass die hunderten von Todesurteilen gegen sie genauso von der Marionetten-Justiz wieder einkassiert werden – als ausgleichende Gerechtigkeit gewissermaßen. Andere Obszönitäten, wie die gnadenlosen Verurteilungen von jungen Gästen bei einer schwulen Party werden weiterhin auch denjenigen das Bild von Ägypten eintrüben, die eigentlich große Sympathien für das gebeutelte Land am Nil haben. Ich gehöre dazu.
Momentan fühle ich mich irgendwie gar nicht gut, weiter für ein Urlaubsziel zu werben, das zwar auf dem besten Wege ist gerade, wieder zu zwar nicht Recht, aber Ordnung zurückzufinden. Das aber auf der anderen Seite so sehr versagt hat nach drei Jahren versuchter Revolution. Dafür sind zu viele Menschen auf der Strecke geblieben. Getötet bei Demonstrationen, bei Willkürmaßnahmen der Sicherheitskräfte. Andere, hochgefährliche, wurden in den Untergrund gedrängt und verströmen bis heute ein Gefühl der latenten Bedrohung und rechtfertigen die permanente, sichtbare Präsenz des Militärs. Und unzählige, mittel-, und unmittelbare Beschäftigte im so wichtigen Tourismus stehen nach drei Jahren Dürre vor dem persönlichen Abgrund.
Wahrscheinlich sind sie es, die ich gerade dieses Jahr auf den vielen Reisen nach Ägypten kennengelernt habe, die mich weiter werben lassen dafür, trotzdem wieder die alte Kulturnation zu besuchen, oder wenigstens an den Stränden, im und über dem Meer zu entspannen.
Die touristische Industrie weltweit wird die Urteilsaufhebung gegen Mubarak und andere Konsorten aus seiner Kamarilla emotional eher entspannt aufgenommen haben. Schon früher hat man unter dem Patronat des Präsidenten und des Militärs geschäftlich wunderbar harmoniert. Diese Ruhe wird auch jetzt wieder wahrscheinlicher und beflügelt das Engagement. Das Militär ist wieder so stark wie vor der Revolution; die Lust der Bevölkerung am Experiment Demokratie ist nur noch marginal. Wird es die Urlauber stören? Wahrscheinlich nicht. Der organisierte Tourismus hat sich noch nie engagiert für Menschenrechte, so lange Ruhe ist im geschäftlichen Karton. Und das wird auch bei Ägypten nicht anders sein.

Wir freuen uns über Ihre Meinung!

Offene Worte jederzeit - aber bitte höflich und themenbezogen!