Wir wollen gute Gastgeber sein!
Lautsprecher 186 – der „Was mit Reisen“ – Zwischenruf
Das Reiseradio freut sich, wie wahrscheinlich auch Sie, auf eine Woche positiver Nachrichten rund um den Tourismus. Denn schließlich ist es ITB Zeit. Und auf dieser Nabelschau der weltweiten travel-professionals gilt es, bella figura zu machen mit seinen Verlautbarungen. Zum Glück ist die Gesamtwetterlage derzeit auch gut. Nach dem Rekordjahr 2014, wo die Deutschen für kurzes und längeres Urlaubsglück 87 Milliarden Euro locker machten, gibt es für die Statistiker der Reiseanalyse – so viel ist bereits durchgesickert – guten Grund für Optimismus, dass auch 2015 wieder ein Goldenes Jahr wird für die Tourismusbranche insgesamt.
Aber auch, wenn man gezielt nach Deutschland selbst schaut – und immer noch machen die meisten Deutschen Urlaub ganz gerne daheim – haben die amtlichen Zähler Erfreuliches zusammengetragen. Sensationelle 424 Millionen Übernachtungen verbuchten deutsche Hotels und Pensionen. Und da kommen noch etliche Millionen dazu, die unter dem Statistischen Bundesamts-Radar bleiben. Zum Beispiel die vielen Privatunterkünfte à la airbnb, die vor allem in den Städten der Hotellerie mittlerweile mächtig zusetzen, die aber trotzdem hinter vorgehaltener Hand von den Offiziellen der Regionen durchaus begrüsst werden – denn schließlich geben auch diese Gäste gerne ihr Geld ausserhalb der angemieteten Wohnung aus.
Das ist doch erbaulich, wenn sogar amtlich bestätigt wird, wie schön und begehrenswert Deutschland als Urlaubsland selbst ist. Wäre da nur nicht der schmuddelige Fleck Sachsen. Die tumben Parolen und die Nazi-Nähe der Pegida-Protest-Idioten hinterlassen nicht nur ein beschämtes Gefühl im eigenen Land; sie irritieren auch zunehmend ausländische Gäste, die diese Region zurecht massiv mit Liebesentzug bestrafen. Die ersten Anzeichen hat man bereits im traditionell starken Adventsgeschäft gesehen. Im neuen, noch ungezählten Jahr ging es nahtlos weiter. Mal schauen, mit welchen Ideen und Aktionen die sächsischen Touristiker da auf der ITB dagegenhalten wollen.
Dass der russische Markt einbrach, ist ein Kollateralschaden, der die deutsche Herbergsbranche empfindlich trifft, der aber unvermeidlich ist, um den Aggressor im Ukraine-Konflikt zu disziplinieren. Zum Glück ist Deutschland mittlerweile breit aufgestellt in seinen Quellmärkten. Andere Nationen konnten das schlechte Incoming-Geschäft mit den Russen mehr als kompensieren.
Der absolute Leuchtturm im Deutschland-Tourismus ist und bleibt aber Berlin. 28 Millionen Hotel-, und viele sonstige Übernachtungen on top machen die Hauptstadt zur deutschen Dream-Destination. Mit einem Ausländeranteil bei den Besuchern von fast 50 Prozent! Gerade hier ist jetzt höchste Sensibilität gefragt, die Willkommenskultur hochzuhalten; unabhängig von Hautfarbe und Religion. Da erschreckt es zutiefst, wenn der Zentralrat der Juden in diesen Tagen anmahnt, in der Hauptstadt sei es in manchen Bezirken nicht angeraten, die Kippa zu tragen, und manche Stadtteile entwickelten sich geradezu zu no-go-Äras nicht nur für jüdische Besucher. Und wenn der neue Regierende Bürgermeister Müller sich wie ein Trottel benimmt, weil er mit typischem Politiker-Reflex alles abstreitet. Was nicht sein darf, ist einfach nicht. Da ähnelt er ungut den sächsischen Polit-Schranzen mit ihren hohlen Beschwichtigungsphrasen. In diesem Moment spürt man, was der weltgewandte Wowereit speziell bei solchen Alarmzeichen für ein Glücksfall im bräsigen Buletten-Berlin war. Nun, wenn die Politiker versagen, müssen die Gastgeber ran. Und damit meine ich nicht die Hoteliers oder sonstigen Profis im Tourismus. Wir alle sind Gastgeber, und sollten gute sein. Schließlich wollen wir auch dieses Jahr wieder etliche zig Milliarden im Ausland ausgeben. Dort allerdings mit vertauschten Rollen: Als Gast, der sich fühlen möchte, wie bei Freunden…