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Reisebüros fit für die Zukunft?

Lautsprecher 182 – der „Was mit Reisen“-Standpunkt

cropped-drensek_kommentar.jpgGerade wieder zurück aus meiner, na ja, fast zweiten Heimat Miami Beach. Es war, wie immer, farbenfroh in jeglicher Hinsicht. Aber für jemanden, der seit 20 Jahren die Entwicklung hautnah verfolgt, gab es doch einen kleinen Stich, mitansehen zu müssen, wie der Massen-Tourismus im Laufe der Zeit wahrscheinlich zwangsläufig ein Ziel verformt. South Beach, lange Jahre wirklich ein hedonistischer Käfig voller Narren und Tummelplatz der Models dieser Welt, war mit diesem Image so attraktiv, dass immer mehr klassische Touristen Zaungast sein wollten. Das Ergebnis kann man sich ausmalen. Vorhang auf für die Disneyfizierung, Bühne frei für den familien-kompatiblen Neon-Zirkus zum Anschauen. War man früher mittendrin, begnügen sich heute die meisten Gäste, nur noch als Konsument im unterhaltungssüchtigen Publikum zu sitzen. Der Ruhm frisst eben auf, wie an vielen schönen Orten auf der Welt. Das ist die Kehrseite des Erfolgs von Touristikern.
In South Beach habe ich auf Empfehlung von Freunden zum ersten mal Uber ausprobiert. Zugegeben: Schlechtes Gewissen inklusive. Denn eigentlich bin ich dagegen, dass man alles macht, nur, weil es technisch möglich ist. Mir gefällt es gar nicht, wenn im Namen des Fortschritts allzu rücksichtslos alte Strukturen in Frage gestellt werden und Menschen und ihre mühsam erarbeiteten Fähigkeiten keinen Schutz mehr genießen sollen. Aber was soll ich sagen? Es war eine begeisternde Erfahrung. Keine muffeligen Taxifahrer in ihren gelben Rostlauben mehr, keine Warteschleifen bei der telefonischen Bestellung, keine hohen Fahrpreise plus fürstliches Trinkgeld, um nicht beschimpft zu werden.
Kleines Beispiel: vom Flughafen nach South Beach mit dem Yellow Cab inklusive Tipp 40 Dollar – und der Koffer musste auf den Beifahrersitz, weil der Taxifahrer im Kofferraum zwei alte Reifen transportierte. Als Klimaanlage diente das offene Fenster. Rückfahrt mit der Uber-App. Mir wird angezeigt, dass mein privater Chauffeur Manny mit seinem Honda Accord in drei Minuten bei mir sein kann. Sauber, freundlich plaudernd. Und wenige Minuten nach Ankunft im Airport kommt die Zahlungsbestätigung: 19,35 Dollar. Kein Trinkgeld erforderlich. Noch Fragen?
Wen wundert es aus Verbrauchersicht, dass Uber in Amerika die Killer-App ist und Finanziers sich schlagen, um zu investieren. In Deutschland und anderen Ländern versucht man, Uber aufzuhalten: per Gericht.
Warum ich diese Geschichte erzähle? Sie steht symbolisch auch für den Stationären Reisevertrieb in Deutschland. Das Internet ist das Feindbild. Viele Reisebüro-Inhaber und ihre Funktionäre haben sich eingemauert in eine Abwehrschlacht. Jeder Versuch von touristischen Anbietern, seien es Veranstalter, Reedereien, Hotels, Mietwagen oder Fluglinien, das Internet für direktes Marketing oder Verkauf zu nutzen, wird als Verrat alter Geschäftsbeziehungen gebrandmarkt. Da soll ein virtueller Zaun die Reisebüros schützen.
Die Folge: es gibt neue Player am Markt, die sich rücksichtslos der Technik bedienen und sich ähnlich wie Uber nach dem „Anything goes“ Prinzip verhalten. Bis ein Richterspruch sie stoppt. Und es gibt die etablierten Partner, die ahnen, dass sie das Internet auch dringend brauchen für immer größer werdende Zielgruppen, die sich aber nicht so recht trauen. Wer sich die Webseiten der Veranstalter, die eng mit dem Stationären Vertrieb verzahnt sind, anschaut, der möchte sich gruseln angesichts der mangelhaften Usability und der wenig einladenden Atmosphäre zum Stöbern in der Reisewelt. Und das nicht etwa, weil die Fachleute bei TUI, Thomas Cook, FTI und Co nicht wüssten, wie es besser ginge. Sie werden am kurzen Zügel gehalten, weil man die Schnappatmung der Reisebüros fürchtet.
Jüngster Aufreger: die Kundendaten. Da entwickeln die Großen endlich ein Gefühl für einen echten Service-Mehrwert bei der Kundenbetreuung und wollen die Qualität einer organisierten Reise herausarbeiten mit App und 24/7 Betreuung – und vom Reisebüro-Lobbyismus kommen nur schrille Angsttöne: nein, meine Kundendaten sind mir heilig…Ihr Veranstalter braucht keine E-Mail. Der Reisende ist nur für mein Büro ein Mensch. Für Euch reicht es, er ist ein Pax mit Buchungsnummer. Ja, wie old-school ist das denn???
Bitte, Ihr lieben Reisebüros, macht nicht den Taxi-Fehler in der Causa Uber. Besitzstand-Wahrung funktioniert heute nicht mehr. Das ist so, als ob Ihr mit zwei Sperrholz-Brettchen ein Stauwehr bastelt. Die Flutwelle könnt Ihr nur verzögern, aber nicht aufhalten. Und deshalb ist es besser, sich im Boot schon einen Platz zu suchen, wo man oben mitschwimmt.
Es gibt nur eine Lösung, und die heisst: revolutioniert Eure Kundenansprache – wenn Ihr es noch nicht getan habt. Euer größter Schatz sind die Kundendaten. Sagt Ihr selbst. Tut was damit. Werdet pro-aktiv. Ich kenne nur wenige Reisebüros, die bisher viel Grips und Zeit investieren für maßgeschneiderte Newsletter und permanente Kundenansprache auf den Punkt – weil man doch angeblich so gut weiss, was der Mensch gerne hat.
Werdet endlich kreativ zusammen mit den Veranstaltern in gemeinsamen Aktionen für Kundenbindung und Anschluss-Geschäfte. Aber akzeptiert bitte auch, dass es so etwas nicht zum Nulltarif gibt. Ich gehe gerne ins Reisebüro, weil die Buchung so wunderbar praktisch ist. Warum sollte ich das aufgeben, nur, weil ein Veranstalter mir maßgeschneiderte Angebote in mein Mail-Postfach schickt? Vielleicht müsst Ihr dafür ein bisschen Provision abdrücken, aber schließlich werde ich als Kunde ja auch auf dem Silbertablett zum Buchungsabschluss ins Büro geschubst.
Wer heute noch glaubt, es reicht, morgens um 9 Uhr die Ladentür aufzusperren und auf die Faszination der Kataloge zu setzen, der genießt keinen Bestandsschutz. Aber manchmal hat man das Gefühl, dies sind diejenigen, die sich gerade am lautesten zu Wort melden…

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