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Lautsprecher 216 – der „Was mit Reisen“-Standpunkt

cropped-drensek_kommentar.jpgIst Reisejournalismus politisch? Muss er es sein? Oder sollte er sich besser mit Meinung und Standpunkt vornehm zurückhalten und sich auf die Rolle des Chronisten und Welterzählers reduzieren? Diese Frage stellt sich für die Vereinigung Deutscher Reisejournalisten (VDRJ) seit ihrer Hauptversammlung in Bad Wörishofen. Es gibt die Causa Dresden. Als Ehrenpräsident bin ich da durchaus involviert, auch als Vertreter eines meinungsstarken Reisejournalismus. Was ist passiert? Die Mitglieder haben sich mit knapper Mehrheit für einen Tagungsort 2017 entschieden. Einen netten Ort, Papenburg, ganz in der Nähe der touristisch mittlerweile so bedeutsamen Meyer Werft. Interessant ist aber mehr, gegen welchen Ort sie sich entschieden haben: Dresden, die Reiseperle von Sachsen. Und das nicht, weil Dresden touristisch uninteressanter wäre als Papenburg. Ich glaube, das würden noch nicht mal die Papenburger behaupten.

Vorangegangen war eine durchaus emotionale Debatte. Darf man angesichts der fortdauernden Pöbeleien von Pegida mit ihrem traurigen Höhepunkt am Tag der Deutschen Einheit, angesichts von schon zum Alltag gewordener, mindestens verbaler, Angriffe gegen fremd aussehende Menschen, und angesichts einer gespenstig anmutenden Gelassenheit bis Lethargie der Bürgergesellschaft gegenüber diesen Unappetitlichkeiten dort hinreisen und tagen – als sei das alles nicht existent in der heilen Blase des Tourismus?

Die Situation ähnelt dem Dilemma von Schmetterling und dem DRV dieses Jahr mit ihren Absagen der Jahrestagungen in Kusadasi in der Türkei. Beides mal wurden offiziell eher pragmatische Gründe genannt: die Sicherheitslage oder mangelnde Anmeldezahlen. Wirtschaftsverbände mit ihren engen geschäftlichen Beziehungen müssen da diplomatisch agieren. Ein Journalistenverband muss es nicht. Deshalb kann die VDRJ benennen, warum es letztendlich zu einer Entscheidung gegen den touristisch erstklassigen Bewerber Dresden kam: das momentane gesellschaftspolitische Umfeld.

Aus der Abstimmung wurde zwangsläufig das deutliche Zeichen gegen „Dresden aktuell als Gastgeber der Jahrestagung“. Die VDRJ müsste sich unwohl fühlen in einer Stadt, die Fremde nur willkommen heisst, wenn sie als zahlende touristische Gäste kommen. Und selbst da gibt es noch Abstriche, angesichts der Affenrufe gegen einen dunkelhäutigen Ehrengast beim Festakt am 3. Oktober auf dem Weg in die Kirche.

Wie soll eine Fachjournalisten-Vereinigung, die sich selbst so definiert, dass sich ihre Mitglieder für Völkerverständigung einsetzen, für die Lust, Fremdes zu entdecken und für das vorurteilslose Akzeptieren anderer Kulturen durch das Überwinden von Klischees, das alles beiseite schieben bei einer Entscheidung?

Worum es nicht ging: nicht mehr über Dresden oder Sachsen reisejournalistisch zu berichten. Auch da mag es ganz Konsequente geben, die sich weigern, die Schönheiten und Attraktionen eines Zielgebiets zu beschreiben, im Wissen, wie schmutzig es hinter den Fassaden ausschaut – stehen sie nun in Dresden, auf Usedom oder in  der Türkei… Und diese Liste ließe sich leider sehr lang fortführen. Nein, diesen Luxus können und wollen sich die meisten von uns nicht leisten. Bei einem Ethikcheck würde die bereisbare Welt sehr klein.

Aber diese Absage an Dresden als Tagungsort 2017 – so sehr er auch die Schönwetter-gebrandete Touristik-PR entsetzt, auch bei uns in der Vereinigung, und einige Reisejournalisten verunsichert, die ihr Berufsverständnis anders definieren – ist nicht nur nötig für die Positionierung der VDRJ, sondern auch hilfreich für die Kolleginnen und Kollegen des Stadtmarketings in Dresden. Denn die wissen sehr wohl, dass es nicht gegen ihre untadelige Arbeit geht, wenn ich das als Journalist so sagen darf, sondern  gegen die Software des Produkts. Vielleicht kann die VDRJ, so unbedeutend sie auch erscheinen mag, mit dem öffentlich in der Branche schon sehr diskutierten Votum eine kleine Initialzündung liefern, dass sich eine große Zahl von Gastgebern, von Hoteliers über Gastronomen, Stadtführern, touristischen Transporteuren und anständigen Dresdnern endlich konsequent aufmacht, ebenfalls wöchentlich ihre Stadt als liebenswerten besuchbaren Ort zurückzuerobern. Dann gerne Dresden 2018. Mit meiner überzeugten Stimme.

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