Phobie um Kundendaten
Lautsprecher 178 – der „Was mit Reisen“-Standpunkt
Kommunikation ist momentan das Zauberwort bei den großen Veranstaltern. Einmal als profanes Angebot an die Gäste, denn Internet zählt mittlerweile zu den wichtigsten Goodies, die ein Urlaubsgast erwartet. WiFi überall, und natürlich gratis, damit man mit seinen Freunden nahtlos kommunizieren kann per Facebook und Konsorten, Selfies verschickt, bis die Smartphone Kamera glüht und auch fern der Heimat nicht abgeschnitten ist vom Datenstrom, der unser Leben immer mehr bestimmt.
Das ist eine riesige technische Herausforderung für die Hoteliers, denn man kann sich ausmalen, was einige hundert, vor allem junge, Gäste für einen permanenten Megabyte Verkehr erzeugen. Da reicht keine Fritz Box mit DSL.
Für die Veranstalter ist es ein Geschenk. Denn die Urlauber, ergo Kunden, sind auf einmal auch willige Empfänger für das, was man mit CX umschwurbelt. Customer Experience. Will heissen: das nette Frollein von der Reiseleitung wird immer mehr ergänzt durch direkten Kontakt via App oder sms. Mit ganz smarten Service-Ideen, aber eben auch neuen Verkaufsmöglichkeiten für Extras vor Ort. Ganz barrierefrei möchte man den modernen Urlauber auf der Liege erreichen und ihn sanft verführen für Wellness-Treatments, Dinner-Arrangements oder Land und Leute Touren.
Vom Ansatz her finde ich das gar nicht schlecht. Warum soll man Technik nicht nutzen, um schon im Wifi-Transferbus im Hotel einchecken zu können? Warum nicht gemütlich unterm Sonnenschirm auf dem iPad in meiner Veranstalter-App durch die multimedialen Ausflugstipps stöbern und sie mit einem Klick buchen, anstatt in einer Sprechstunde in einem muffeligen Eck der Lobby zu warten, bis man an die Reihe kommt? Warum nicht per Smartphone fragen, ob man Late Check-Out buchen könnte und per sms bequem die Info bekommen, wann der Transferbus einen abholt zum Flughafen am letzten Tag..?
Traditionell denkende Gäste fühlen sich bei diesem Szenario leicht überfordert. Diese Art von Reiseleiter-Kontakt menschelt ihnen zu wenig. Und man muss natürlich aufpassen, dass die schöne neue Welt nicht die Seele und den Markenkern eines Qualitätsveranstalters angreift. Callcenter und Warteschleifen nerven uns schon daheim genug.
Aber zwei Voraussetzungen für CX sind es, die Sprengstoff beinhalten. Um so kommunizieren zu können, brauchen die Veranstalter logischerweise Handynummer und Mailadresse. Und spätestens hier bekommen die strammen Lobbyisten des Stationären Vertriebs Schnappatmung. Wenn man die Aufgeregtheit der letzten Wochen betrachtet, hat man das Gefühl, Reisebüro-Inhaber verorten ihre Veranstalter-Partner irgendwo im Reich des Bösen. Am besten sollen sie vom eigenen wertvollen Kunden gar nichts wissen, außer der Buchungsnummer und vielleicht gerade noch der Heimadresse, um die Unterlagen per Snail-Mail mit der Christel von der Post zu verschicken. Es herrscht geradezu eine Phobie, dass die etablierten Veranstalter nur deshalb mit ihrem Service-Gesülze kommen, um das höchste Gut des Reisebüros zu klauen; nämlich Telefon und E-Mail der Kunden. Und das Ganze, um gleich nach dem Urlaub Powerselling über das Internet zu betreiben und das Reisebüro auszubooten.
Dass man selbst mit denselben Tools auch eine Kundenbindung aufbauen könnte, scheint wohl ein exotischer Gedanke… Proaktiv die Kundendatei mit passgenauen Newslettern versorgen oder individuellen Angeboten; maßgeschneidert auf die Vorlieben, die man ja eigentlich kennen müsste.
Mir als Betrachter von außen ist da eindeutig zu viel Ideologie in der Diskussion. Sie offenbart auch ein ungutes Klima in der Touristik. Denn wenn so wenig Vertrauen ist, dass beide nur das Beste wollen für den Urlauber, dann reduziert sich eine Geschäftsbeziehung auf Provisions-Feilscherei. Und der Kunde wird eh machen, was ihm persönlich am besten passt.
