Immer Ärger mit AA-Hinweisen
Lautsprecher 176 – der „Was mit Reisen“-Standpunkt
Ich kann mich gerade mal wieder richtig aufregen über das Auswärtige Amt und die dortige Schnarchnasen-Abteilung, die für die Reisehinweise zuständig ist. Anlass ist erneut Ägypten als pars pro toto. Das Urlaubsland, und vor allem sein Teil am Nil, ist ja gerade in diesen Tagen und den nächsten Wochen gefühlt der Nabel der touristischen Verkaufswelt: QTA Tagung, FTI Sause, TUI Programm-Pressekonferenz und Reisebüro-Treffen. Tausende deutscher Expedienten und Journalisten sollen sich mit eigenen Augen überzeugen, wie sicher das Ziel ist. Ich selbst war vor einigen Tagen noch vor dem ganzen Rummel auf Vorbesichtigungs-Kurzviste unter anderem in Luxor. Es war erschütternd! Jetzt ist nach Jahren der Punkt erreicht: Die Menschen leben von ihren allerletzten Reserven. Während die Hotelbetten am Roten Meer sich schon wieder mit Günstigpreisen und vielen Russen füllen lassen, liegt der Kulturtourismus am Nil nach wie vor völlig am Boden. Peter Mario Kubsch von Studiosus wird es nachher sagen in dieser Sendung: ganze 36 Gäste konnte er dieses Jahr für die grandiose Tempeltour per Schiff überzeugen. Als wichtigster deutscher Studienreiseveranstalter! Und Schuld daran ist vor allem das Auswärtige Amt mit seinen diffusen Angst-erzeugenden Reisehinweisen.
Jüngster Coup: gleich für 38 Staaten – natürlich auch wieder für Ägypten – gibt es nun einen dringenden Sicherheitshinweis auf mögliche Terroraktivitäten des IS. Kein Wunder, dass gerade die Reisenden, die eben nicht auf der Suche nach abgeschotteten All-Inclusive-Baderesorts sind, ins Grübeln geraten, wenn doch höchstamtlich so eine scheinbar wichtige Warnung ausgesprochen wird.
Nun mag es unverrückbare Beamtenmentalität sein, grundsätzlich risikolos den Büroschlaf genießen zu wollen. Und in diesem Zusammenhang ist es natürlich viel leichter, eher eine überflüssige Warnung zu viel, als eine zu wenig auszusprechen. So ist es für das AA eine win-win-Situation: passiert nichts, hat man einfach nur seine Pflicht getan, um prophylaktisch zu schützen; passiert etwas, hat man ja zum Glück gewarnt und ist aus der Verantwortung.
Was mit den Menschen vor Ort passiert, darum soll sich das Entwicklungshilfe-Ministerium gefälligst kümmern. Und die touristische Industrie ist schließlich die Baustelle des Wirtschaftsministeriums…
Nach außen bemühen die meisten Veranstalter noch den Burgfrieden, um eine ansonsten honorige Institution wie das Auswärtige Amt nicht zu beschädigen. Aber „unter Drei“ hört man haarsträubende Schilderungen von Arroganz und Inkompetenz bei den vertraulichen Treffen zwischen Amt und Industrie, von Beratungsresistenz und der Weigerung, Hilfe durch die tausenden touristischen Mitarbeiter vor Ort als höchstsensible Stimmungs-Messinstrumente anzunehmen. Schlimmer: man wird von subalternen Staatssekretären ultimativ zu Befehls-Empfängern degradiert: Akzeptiert unsere nicht belegte Allwissenheit, oder wir machen Euch das Leben schwer. Hut ab vor dem Mut von FTI, dem Auswärtigen Amt letztes Jahr deshalb als einziger den Stinkefinger gezeigt zu haben. Da schäumten zwar die Mitbewerber, die nach außen des lieben Friedens willen, und weil es für sie so einfach war, brav auf andere Ziele umrouteten, aber FTI gewann Respekt und Dankbarkeit bei den Gastgebern, die doch gute sein wollten und wollen. Ergebnis: heute ist FTI mit Abstand Marktführer in Ägypten. Auch das ist Thema in dieser Sendung im Gespräch mit Ralph Schiller.
In Zeiten der unkontrollierbaren Verbreitung von journalistisch nicht eingeordneten Nachrichten-Schnipseln muss sich das Auswärtige Amt bei seinen Hinweisen dringend neu justieren und professionelle Gefahrenanalyse betreiben. Diffuse Warnungen aus dem Bauch heraus nützen niemandem. Im Gegenteil. Sie sind wirksamer als jeder tatsächliche Anschlag.