Wer sich heute das Krisenmanagement von etablierten Qualitätsveranstaltern anschaut, hat das Gefühl, mitten in einem War-Room eines Polit-Thrillers gelandet zu sein. Da blinken auf der Weltkarte die möglichen Krisenherde von schwach Orange bis Dunkelrot, da gibt es Einsatzpläne und Notfall-Szenarien und Telefonlisten bis zum letzten Reiseleiter am Palmenstrand. Demnächst auch den direkten Draht zum Reisenden vor Ort, der per guter, bewährter sms schützend an die Hand genommen wird. (mehr …)
Das Reiseradio, meine Stimme lässt es erahnen, ist auch ein gesundheitliches ITB Opfer. Trotzdem heute ein erster akustischer Nachschlag. Themen von der Touristikmesse, aber natürlich auch Bemerkungen über das weltwichtigste Ereignis dieser Tage, zumindest aus Berliner Sicht: Der sympathische, verbindliche und hochgeschätzte Hartmut Mehdorn wird mit seiner Altersweisheit der 70 Jahre den schnuckeligen Hauptstadtflughafen endlich retten. Wie gut, dass die ITB schon seit Dienstag lief, denn nach dieser Breaking News des Freitagmorgens war das gigantische Reisebüro unter dem Funkturm medial nur noch bedingt interessant.
Seitdem die BILD morgens die Meldung abschoss, gab es bei Twitter und Co geradezu einen Witz-Tsunami zur Personalie. Angesichts der bisherigen Verzögerungen vermutete man, dass M. mit seiner Bahn-Chef-Erfahrung eigentlich immer schon die Fäden im Hintergrund zog, und in Zukunft die Losung gilt, alles unter drei Jahren weiterem Aufschub wird per oberster Order als „pünktlich“ erklärt. Viele dachten an kalendarische Verwirrung und einen vorgezogenen Aprilscherz, oder ein Verrechnen der Mayas um drei Monate bezüglich des Weltuntergangs. Es gab Bedauern, dass der Papst bei seiner vielen freien Zeit jetzt nicht segensreich als Geschäftsführer wirken könne – wo der Vorgänger doch so viel Kusserfahrung mit Flughafen-Asphalt hatte. Und spätestens am Wochenende mit Schnee ahnten viele Pessimisten, künftig würde BER wie die Bahn reagieren: sobald es schneit, fallen die Flugzeuge vom Himmel…
Klar ist diese Personalie denn auch Hauptthema bei den Bissigen Bemerkungen meines Lieblingsprofessors Karl Born, mit dem ich mich eigentlich über die ITB als solches unterhalten wollte.
Aber es gibt in diesem Reiseradio natürlich auch Trends von der Messe. Logischerweise aus berufenem Mund, denn alle touristischen Mover und Shaker waren in den letzten Tagen in der Hauptstadt. Jürgen Büchy, der Präsident des DRV wagt stellvertretend für die gesamte Veranstalter-Branche den Blick ins Reisejahr 2013. Sein Kollege vom DTV, Reinhard Meyer fokussiert logischerweise auf Deutschland als Reiseziel mit neuer Rekordmarke in Europa. Und für das Große und Ganze ist wieder einmal der Meister der Statistiken zuständig: Professor Martin Lohmann für die Forschungsgemeinschaft „Urlaub und Reisen“ mit der Studie über das Reiseverhalten und die Reisemotive der Deutschen, besser gesagt, deutschsprachigen Urlauber – Interessante Details aus der Reiseanalyse hier im Reiseradio.
Von der TUI liefen auch ohne Stand so viele Top-Shots durch die Messehallen, dass viele Geschäftspartner richtig in Stress gerieten, wem sie eigentlich ihre Aufwartung machen sollten. Von Fritz Joussen, über Peter Long, Johan Lundgren bis zu Christian Clemens war das rote Kleeblatt komplett. Im Reiseradio erläutert nun der Chef von TUI Deutschland, Christian Clemens, sehr ausführlich, warum er sich letztendlich doch von etlichen Reisebüros trennen wird, den Direktvertrieb massiv ausbauen will, aber trotzdem Marktanteile und Kundenzufriedenheit mit neuen Messlatten versieht. Das alles vor dem Hintergrund des Vorpreschens der neuen Nummer 1, Fritz Joussen, der beim Stationären Vertrieb mit seinen Gedankenspielen leichte Irritation verursacht hatte. Hier nun die Korrektur von Christian Clemens, die mehr eine Korrektur seiner Korrektur von vor zwei Wochen ist und als ungeschnittener Originalton – sozusagen als akustischer, pikanter Schwedenhappen – eigentlich Pflichtprogramm für den Reisevertrieb sein sollte.
ITB-Nachlese: Japan sickerte erst im Verlauf des Freitags langsam ins Bewusstsein. Und dann waren die Touristikprofis schon weg und überließen das Feld den Prospekte-Verteilern für das Publikums-Wochenende. Hauptthema an den Fachbesuchertagen auf der Messe unter dem Berliner Funkturm war die arabische Welt danach. Mit Skurrilitäten wie dem libyschen Stand, der latenten Verunsicherung auf allen Spielflächen Nordafrikas und des Nahen Ostens und dem extremen Bemühen von Tunesien und vor allem Ägypten, wieder business as usual zu demonstrieren.
Die Ägypter haben noch einmal bestätigt, Partnerland der ITB für 2012 zu sein, auf vielen Foren beschworen eingeflogene Touristiker die Sicherheit in den beiden Ländern, und die Veranstalter wirkten doch entspannt, dass sich der effektive wirtschaftliche Schaden der Jasmin Revolution für sie in Grenzen hielt. Dazu auch unser Topthema mit Sören Hartmann von ITS und Co, die Marktführer in Tunesien sind. Auch Michael Frese, der Chef der REWE-Bausteingruppe, äußert sich zu den ruinösen Kampfpreisen, mit denen sich die Länder gerade wieder zurückmelden und den optimistischen Erwartungen, die die Branche für dieses Reisejahr 2011 hegt und pflegt.
Ein bisschen Schuld spüren die großen Veranstalter schon, dass sie vielleicht etwas blauäugig mit den alten Regimes und ihren Günstlingen zusammengearbeitet haben, aber viel stärker und unabhängiger legt natürlich Heinz Fuchs von Tourism Watch den Finger in die Wunden des neuen, alten Ägypten-Tourismus.
Da möchte zumindest Peter-Mario Kubsch von Studiosus, der dieses Jahr nur noch mit wenigen hundert Reisenden in dieser Region rechnen kann, den Diplomaten geben, und den extremen Achterbahnkurs, den Ägypten den Veranstaltern in den letzten Jahrzehnten zumutete, mit der überwältigenden Gastfreundschaft entschuldigen, die Urlauber dort erfahren.
Dumm nur, dass „die“ Urlauber, also eben nicht die von Studiosus und Co, das Badeziel Ägypten für absolut austauschbar halten. Das hat die neue Reiseanalyse ergeben. Faktor 9,5 – also fast zehn andere Länder fallen Urlaubern ein, bei denen sie das gleiche Angebot vermuten – und das ist ein unrühmlicher Spitzenwert. Gefolgt von – ausgerechnet – Tunesien. Näheres erläutert im Reiseradio Professor Martin Lohmann von der Forschungsgemeinschaft Urlaub und Reisen.
Wie gut, dass die Reiseanalyse sich auch intensiv Deutschland, der Deutschen liebsten Urlaubsziel, widmet. Tendenz zu den Rändern. Und deshalb, weil Bayern ja auch so eine – äußerst erfolgreiche – Randlage hat, ist der Wirtschaftsminister Martin Zeil extrem entzückt. Und auch über die geplanten sportlichen Großveranstaltungen, die den Tourismus erheblich fördern würden. Meint er im Gespräch.
„Darf ich dir meine Briefmarken-Sammlung zeigen…?“ Das ist total Sixties und hört sich heute irgendwie unangenehm schmierig und mit einem Hauch von Pädophilie an. Wenn mein Gesprächspartner seine Sammlung zeigen möchte, dürfte er bei sensiblen Gemütern auch eher ein schummriges Gefühl auslösen… Gerd Otto-Rieke sammelt nämlich Spucktüten aus Airlines. Zum Glück nur leere. Dafür erfahren wir extrem Spannendes aus der Welt der Tütologie.
Na ja, und raten Sie mal, wen ich auf der ITB getroffen habe? Ja klar, meinen Lieblingsprofessor. Und dann haben wir schnell ein Gespräch geführt über Irrungen und Ehrungen und Ehrgeiz auf diesem Parkett der touristischen Eitelkeiten.