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Rubel rollt nicht mehr fürs Reisen

Lautsprecher 175 – der „Was mit Reisen“-Standpunkt

cropped-drensek_kommentar.jpgWie vielschichtig doch die allgemeine Weltlage sich wieder mal auf den Tourismus auswirkt. Da sprach ich gestern mit einem befreundeten Touristiker aus dem schönen Baden-Baden. Die mondäne Kurstadt an der Oos, traditionell Schwarzwälder Zufluchtsort der Besser-Verdienenden, sieht sich ein wenig als Kollateralschaden im Ukraine-Konflikt. Die historisch gewachsene Liebe der Russen zu diesem Städtchen mit Thermalquellen, Spielcasino und Schöner-Wohnen-Villen leidet gerade spürbar. Ohne Schuld von Baden-Baden.
Putins Oligarchen werden durch die Wirtschafts-Sanktionen zunehmend klamm. Ihr Spielgeld im Ausland, auch für Luxuseinkäufe und Immobilien-Verbindlichkeiten, liegt eingefroren auf diversen Konten. Das trifft vor allem die auf teure Preziosen spezialisierte Geschäftswelt. Aber auch die „normalen“ Russen der Mittelschicht bleiben anscheinend zunehmend aus. Da gibt es die, die prinzipiell reisen wollten, aber durch staatliche Appelle an ihren Patriotismus im Moment sanft gezwungen werden, vielleicht doch lieber Urlaub im Einflussbereich von Mütterchen Russland zu machen. Aber auch diejenigen, die sich mehr und mehr unwohl fühlen im westlichen Ausland, da sie fürchten, für Putins provozierende Kriegslust in Sippenhaft genommen zu werden. Abgesehen davon, dass Ihr Geld mittlerweile mehr als ein Viertel an Wert eingebüßt hat. Da bleibt nicht mehr viel Spielraum für exklusives Shopping oder Hotelträume. Baden Baden steht hier nur als Beispiel. Das Problem im Zielgebiet ist austauschbar. Es gibt ja etliche russische Urlaubs-Hotspots in unseren europäischen Breiten.
Und es wäre naiv, zu glauben, hier ginge es nur ums Jammern auf hohem Niveau einiger Luxusoasen. Denn erfahrungsgemäß versickern Touristenstöme nicht; sie werden nur umgeleitet. Des einen Leid ist des anderen Freud. Und wenn wir jetzt gerade von russischen Urlaubern reden, dann dürfen auch westlich geschätzte Ziele wie beispielsweise Nordafrika, Ägypten oder die Türkei nicht unerwähnt bleiben. Bereits jetzt haben russische Besucher in dieser Türkei, die uns durch ihren radikalen Präsidenten Erdogan zunehmend fremder wird, die deutschen Gäste von der Spitze der Urlauberstatistiken verdrängt. In Ägypten sind es die nach wie vor ängstlichen Reisehinweise unter anderem des Auswärtigen Amtes, die für Kairo und den größten Teil des Sinai immer noch de facto warnenden Charakter haben, und die Hoteliers zwingen, unabhängig von ihrer wirtschaftlichen Verflechtung mit deutschen Unternehmen, den „mutigeren“ russischen Markt erfolgreich zu umwerben, was Einkäufer deutscher Veranstalter schmerzlich spüren bei Vertragsverhandlungen.
Gepaart mit einer wachsenden Angst vor den IS-Terroristen und ihren Sympathisanten, die angesichts der Schutzlosigkeit touristischer Ziele und den angedrohten mörderischen Nadelstichen durchaus nicht unbegründet ist, fühlt die deutsche Reiseindustrie gerade einen gewissen Mehltau, der sich im Umfeld des vorige Woche begangenen World Tourism Days auf ihr internationales Geschäft legt. Der wenig an der normativen Kraft des Faktischen orientierte Rat des Tourismus-Ausschusses im deutschen Bundestag: Konzentriert Euch auf den Urlaub im eigenen Land – dann stimmt es auch wieder mit Sicherheit und Wertschöpfung. Ja, wenn es nur so eine simple Lösung gäbe.

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