Touristik Talk

Wasmitreisen - Das erste Reiseradio für Profis im Internet

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Hintergrund, Klatsch und Service für Touristik-Profis

Reiseradio 135 – Wöhrl kritisiert Lufthansa-Sparkurs zu Lasten der Passagiere / BDL Imagefilm zum Traum vom Fliegen / TIC will Lobby-Schnellboot sein / Asisis Mauer-Panorama in Berlin

Das Reiseradio begibt sich in dieser Sendung mal ein bisschen auf Traumreise… Viele Reisen werden ja auch erst im Kopf vollkommen, in der Phantasie. Da geht es dann nicht so sehr um Destinationen, um die konkreten Ziele einer Fahrt, sondern um den Weg dahin; und wenn er „nur“ zu sich selbst führt.

Davon profitiert die Reiseindustrie natürlich im Sympathiewert, dass sie eher mit lustvollen Gefühlen verbunden ist – und nicht, dass das Unterwegs-sein immer noch als latente Gefahr gesehen wird. Als eine permanente Unsicherheit fern der geschützten Heimat. Aber es ist auch gleichzeitig ihr Fluch. Denn trotz der wirtschaftlichen Bedeutung, die viel höher ist, auch in Deutschland, als die klassische Schwerindustrie, haftet ihr der Ruf des etwas Flatterhaften, nicht so Seriösen, des nicht unbedingt Erforderlichen an. Für Politiker ist die Branche jedenfalls kein Feld, für das man sich kämpfend ins Zeug legt.

Gerade am Beispiel Flugverkehr lässt sich die Berührungsangst besonders gut festmachen. Da mag der Tourismusbeauftragte der Bundesregierung, der gute Ernst Burgbacher, ein noch so verständnisvoller Zuhörer sein. Sein Chef, der Wirtschaftsminister, FDP-Vorsitzender Rösler, hat ganz aktuell wieder deutlich gemacht, dass er von Tourismus und seinen Rahmenbedingungen keine Ahnung hat; sie auch gar nicht haben will. Hauptsache, seine Frau bucht verlässlich den alljährlichen Urlaub und der Steuerzahler finanziert seine Dienstreisen. Es ist unglaublich: Noch nicht mal der für den Tourismus zuständige Fachminister setzt sich mehr für die Abschaffung der Luftverkehrssteuer ein, für das Ende der Ungleichbehandlung bei der Emissionsabgabe, für konkurrenzfähige Flugpläne auf deutschen Drehkreuzen und eine Infrastruktur, die dem Reiseweltmeister Deutschland würdig wäre. Aus der Traum.

Da mag der BDL noch so sehr den Schulterschluss suchen mit Industrie und Gewerkschaften; der frühere Duft der weiten Welt riecht mittlerweile so ranzig, wie der gesamte Berliner Politkbetrieb. Vor diesem Hintergrund wirkt die neue PR-Aktion des Bundesverbands irgendwie anrührend: Ein Imagefilm über den Traum vom Fliegen, der angeblich jung hält. Und trotzdem haben wir ihn im Reiseradio als Thema. Weil zwei junge Studenten der Filmakademie Baden Württemberg versucht haben, in 1:30 zum Kern vorzudringen, warum wir alle uns trotz allem dieser Branche verschrieben und keinen anderen Beruf gewählt haben.

Vielleicht hätten Gewerkschaftsvertreter diesen Spot auch auf sich wirken lassen sollen, bevor sie – nur als Warnung wohlbemerkt – schon mal den kompletten Flugbetrieb der Lufthansa stilllegten und wegen eines Gehaltskampfes einer partiell eher überversorgten Branche zehntausende Passagiere in Geiselhaft nahmen. Nun hat man sich Mitte dieser Woche geeinigt. Angesichts der tiefroten Quartalszahlen musste der frühere Staatsbetrieb nachgeben, um die Kunden nicht noch mehr zu verärgern. Ein großer Fehler, wie Hans Rudolf Wöhrl meint. Der Unternehmer, der bei den Fluglinien einen schillernden Ruf hat als Gründer, Käufer und erfolgreicher Verkäufer von Airlines, hätte Lufthansa-Chef Franz geraten, hart zu bleiben. Dieser hätte seinen Fokus stattdessen mehr auf den Lufthansa-Passagier richten müssen, der angesichts der – auch durch solche Tarifabschlüsse – nun noch nötiger werdenden Sparmaßnahmen von Deutschlands größer Qualitätsairline immer mehr als „selbst ladendes Frachtgut“ betrachtet wird. Wöhrl rechnet ab im Reiseradio mit dem geplanten Alptraum über den Wolken.

Ja, und wie gerade schon gesagt: Lobbyismus im Tourismus ist eine undankbare Aufgabe. Zu viele Partikular-Interessen. Wahrscheinlich auch zu viele Fachverbände, die sich nur schwer zu einem veritablen Orchester formen lassen. Da ist es mutig, wenn auch vielleicht schon etwas übermütig, dass der Travel-Industry-Club sich als vernehmbares Lobby-Schnellboot neu positionieren will. Nicht mehr nur mit Champagner-Diplomatie, sondern vermehrt durch über den Dingen schwebendes Anecken und Aufrütteln. Ich sprach mit dem einzigen „Überlebenden“ des alten Vorstandes, Dirk Bremer.

Und zum Ende des „Was mit Reisen“ dürfen sie nun wirklich das Radio zu einer Gedankenreise in die Vergangenheit nutzen. Ort ist Berlin. Da steht am quirligen und nicht sehr geschmackssicheren Checkpoint Charlie Yagedar Asisis Panometer mit einem überwältigenden Blick auf die Mauer, wie sie Ende der 8oer Jahre war. Ein fotorealistisches Mammut-Gemälde, das mehr berührt, als jeder bemalte Mauerstein, den man in der ehemals geteilten Stadt noch finden kann. Ich sprach mit dem Künstler über dieses Kopfkino, das manchmal intensiver ist, als die Realität, die man bereisen kann.

Reiseradio 134 – Virtuelle Reisewege im Social Web immer wichtiger / Die Schwarm-Intelligenz von Tripadvisor / Holiday Check: Kritik als Chance nutzen / Hoteltexte: Die Last mit der Formulierungslust

Das Reiseradio überlegt gerade, ob wir hier im Programm ein bisschen den ollen römischen Senator Cato kopieren sollen, der ja jede Rede anfing mit dem berühmten „cetero censeo“ – also, „im Übrigen bin ich der Meinung“. Aber dann sage ich natürlich nicht, dass Karthago zerstört werden muss – um Himmels Willen, die Tunesier haben schon genug Probleme… – sondern reihe mich ein in die Reihe der Rufer nach dem freien Internet. „Free Wifi“ im Hotel und am Urlaubsort. Jürgen Büchy vom DRV hat diesem – nach allen Umfragen – wichtigsten Wunsch aller Reisenden unlängst auf der Tagung „Destination meets online“ auf Mallorca seinen präsidialen Segen erteilt. Aus gutem Grund. Denn nichts ärgert die Reisenden so sehr, wie die Internet-Abzocke in manchen Hotels. Und nichts wurmt die Macher von klugen Reise-Apps und die Geschäftsleute von Internet-Touristik-Unternehmen so sehr, wie die Free-Wifi-Netzlosigkeit an bevorzugten Reiseorten. Denn so lange die Mobilfunkbranche ihre Kunden mit grotesk überteuerten Roaming-Gebühren knebelt, benutzen 90 Prozent der Reisenden ihre Smartphones außerhalb der Landesgrenze eben nur noch als doofe Telefone. Und die schöne virtuelle Reisewelt voller Tipps und Gadgets funktioniert nicht mehr da, wo sie am nötigsten gebraucht würde.

Es gibt gute Argumente für den freien Internetzugang allerorten. Denn Facebook und Co zeigen es überdeutlich: das unmittelbare Erlebnis direkt mit Freunden teilen zu können, ist – sofern es sich um ein gutes Erlebnis handelt, was ja beim Urlauben nicht ganz unwahrscheinlich ist – nach übereinstimmender Meinung der Marketingexperten die effektivste Werbung, die man für sein Hotel oder seine Attraktion oder seinen Ort bekommen könnte.

Aber ich fürchte, da wird es noch viele dicke Bretter geben, die zu duchbohren sind, bevor Umsatz-geile Hoteliers und technische Neandertaler in Gemeinderäten diesen Schritt als wichtigste Investition der kommenden Jahre begreifen.

Als kleine Argumentationshilfe hat diese Ausgabe von „Was mit Reisen“ deshalb auch die virtuelle Kommunikation als Schwerpunkt. Michael Faber vom Beratungsunternehmen „Tourismuszukunft“ erläutert im Gespräch, wie wichtig es für die Reisebranche ist, ihre traditionellen Berührungsängste gegenüber all dem „neumodischen Kram“ zu verlieren. Die panische Angst der stationären Reisebüros vor der Konkurrenz aus dem Internet hat es durch die tiefe Lobby-Verwurzelung der old player bisher geschafft, dass sich eine ganze Branche nur mit schlechtem Gewissen und ganz zögerlich der neuen Lebenswirklichkeit stellt. Die altehrwürdigen Veranstalter liegen in der Kompetenz um Jahre zurück, weil jeder Internet-Versuch wie ein Pawlowscher Reflex gleich wütende Proteste des nicht-virtuellen Vertriebs auslöste. Und viele, vor allem kleinere, touristische Anbieter haben bis heute ihre Berührungsangst, weil ein effektives Mitspielen auf dem globalen Internet-Markt technisch anspruchsvoller ist, als das Basteln der eigenen Homepage. Und wir sollten auch nicht verschweigen, dass sich unter all den Web-Experten viele schwarze Schafe tummeln, die etwas naiven Kleinunternehmern viel Geld für überschaubare Effekte aus den Rippen geleiert haben. Das schreckt natürlich ab von neuen Engagements.

Das Reiseradio möchte trotzdem den Versuch unternehmen, in diesem Magazin ein paar Chancen anzusprechen, die ein Nutzen des Internets auch zu einer Win-Win-Situation machen können.

Dreh- und Angelpunkt jeder Strategie ist immer die so genannte Schwarm-Intelligenz des Netzes und die Bereitschaft vieler Nutzer, ihre Erfahrungen bereitwillig zu teilen. Davon profitieren natürliche Startseiten für die Reisevorbereitung wie Tripadvisor und Holiday Check. Beide kommen gleich zu Wort. Pia Schratzenstaller von Tripadvisor nimmt uns gleich mit in die Welt des Herrschaftswissens von 100 Millionen Bewertungen und Meinungen und Georg Ziegler von Holiday Check gibt uns ein praktisches Beispiel, wie man aus der Datenanalyse von so vielen Nutzern wunderbare Erkenntnisse bekommt nicht nur als Hotelier – nämlich, wie man sich noch mehr verbessern könnte – sondern auch als Destination – wie man die Zukunft erfolgreich planen muss. Interessante Details am Beispiel Mallorcas erwarten uns.

Aber nicht nur User füttern das Internet permanent mit Content. Gerade Hoteliers stehen vor der großen Herausforderung, auf einmal ihre Hoteltexte auf zig Plattformen und in vielen Sprachen aktuell und einladend zu gestalten. Das überfordert nicht nur Einzelunternehmen. Steffen Faradi von der Firma Pisano erläutert, wie heute ein gutes Content-Management System mit einem Computer als Text-Knecht aussehen könnte.

Das ist so etwa der Inhalt der Ausgabe 134. Und allein schon, dass Sie sie hören, ist ja Beweis genug, wie offen Sie für Neue Medien sind. Dann klappt’s auch mit dem Rest. Schön, dass Sie dabei sind.