760 Minuten, also 46 Stunden, dauert summa summarum das Showprogramm, das zusammengerechnet auf allen AIDA Schiffen von bis zu 18 000 Zuschauern beklatscht wird.. – pro Tag! 800 Mitarbeiter sind allein im Bereich Entertainment auf den Weltmeeren unterwegs. Aida mit der eigenen Showzentrale auf St. Pauli in Hamburg, die vor Jahren mit Corny Littmann vom Schmidts Tivoli Theater gegründet wurde, ist heute einer der größten Entertainment-Produzenten Deutschlands. „Was mit Reisen“-Reporter Jürgen Drensek hat sich auf der neuen AIDA Stella mal den „Wachwechsel“ angeschaut, wenn neue Artisten an Bord kommen und die Bühne entdecken, auf die so manches Stadttheater in Deutschland neidisch wäre.
Das Reiseradio ist wieder zurück von der Taufe der TUI Mein Schiff 3 in Hamburg. Eine gelungene Veranstaltung mit einem wirklich spektakulär-akrobatischen Taufakt durch die Entertainerin Helene Fischer für einen, auch das sollte man sagen, wirklich gelungenen Schiffsneubau, der in der Realität viel schöner wirkte, als in der visuellen Berichterstattung im Vorfeld. Nun wäre es sicher vermessen, zu behaupten, Platzhirsch AIDA müsse sich wegen der wachsenden TUI-Wohlfühlschiff-Flotte nun sorgenvolle Gedanken machen. TUI erreicht gerade mal ein Drittel der Kapazität. Aber eines wurde sehr deutlich spürbar beim Erfühlen des neuen Spirits dieses ersten maßgeschneiderten TUI-Schiffs: die fröhlich verspielte Alleinstellung der AIDA für den Begriff modern-legere deutschsprachige Kreuzfahrt hat nun ein Ende. Das Segment wird sich künftig auf zwei wichtige Player aufteilen – je nach Geschmack der Kreuzfahrtgäste, ob sie es etwas gefühlt-edler oder gelebt-fröhlicher bevorzugen. Mein Schiff oder meine AIDA. Mittelfristig bedeutungslos für den deutschen Markt im gehobenen Mainstream-Segment dürften die Me-too-Flotten von Costa oder MSC oder wem auch immer werden. Ihnen, und das wurde bei der Taufe diese Woche klar, fehlt der nationale Markenkern für den heimischen Wohlfühleffekt. Und der ist bei Schiffen für den Volumenmarkt noch wichtiger vielleicht, als für Urlaubshotels.
Spannend war die Taufe aber auch wegen der sie umrankenden Personalia. Richard Vogel, the brain behind the brand, wird TUI Cruises jetzt verlassen. Ein Umstand, der seit etwa einem halben Jahr feststeht, aber der wegen der durchgesickerten Information ausgerechnet zur Taufe bekannt gegeben werden musste (natürlich gab es auch süffisante Champagner-Kommentare, dass Richard Vogel, der alte Show-Fuchs, vielleicht selbst am Indiskretions-Drehbuch nicht ganz unbeteiligt war – bekam er doch so den fulminantesten Rote-Teppich-Abschied, den sich ein Manager wünschen kann…). Und sein Nachfolger wird eine Nachfolgerin, grub die gut vernetzte fvw aus: Wybcke Meier, unter anderem als Chefin des Luxusreiseveranstalters Windrose zwar schon nomen est omen Kompass-erprobt, wenn auch sonst ohne explizite Kreuzfahrt-Erfahrung, soll vor allem als Vertriebs- und Marketingexpertin den Wohlfühl-Spirit in die Reisebüros tragen. Das macht Sinn, denn beim TUI Cruises Management sind in den nächsten Jahren vor allem Soft Skills gefragt, um die Marke in den Herzen der Verbraucher zu etablieren. An Bord hatte ich natürlich Gelegenheit, mit Richard Vogel ein letztes Reiseradio-Gespräch zu führen. Ein letztes in seiner Funktion als CEO.
Am Abend der Taufe gab es das Eröffnungsspiel in Brasilien. Und in der Halbzeit flimmerte das Heute Journal über die Großbild-Leinwand. Mit der Meldung der Einigung der Kultusminister zum Thema Verlängerung des Sommerferien-Korridors. Sogar die bemerkenswerte Begründung schaffte es in die TV-Nachrichten: Unterstützung der touristischen Industrie für zusätzliche Umsatzmilliarden. Entsprechend plumpsten auch die Jubel-Eigen-PR-Mails am Folgetag ins Journalisten-Postfach: von Regierungsfraktionen, über DRV bis Dehoga. Alles fein. Bis Zwanzig vor Drei: da entlud sich die Wut des Deutschen Tourismusverbandes über diese „Schönfärberei“. Oha! Die Meldung entlarvte die üblichen Taschenspieler-Tricks der Politiker, die einfach die bayerischen und baden-württembergischen Pfingstferien als gefühlte Pre-Sommerferien hinzuaddierten, um eine gefällige Durchschnitts-Tage-Zahl künstlich hochzuhübschen. Das klingt hart nach Betrug. Und alle anderen Lobbyisten sind drauf reingefallen? Das Reiseradio hätte heute gern zur Aufklärung beigetragen, ob eine vermeintliche Erfolgsmeldung bei professioneller Betrachtung nicht doch eher ein Rohrkrepierer ist. Aber leider hatte sich der DTV zum Zeitpunkt der Pressemeldung schon ins Wochenende verabschiedet. Mit Ruhetagen nimmt man es sehr genau bei den Kümmerern um das Wohl des Deutschland-Tourismus. Wir bleiben dran.
Ein Unternehmen freut sich naturgemäß über Entzerrung von Ferienzeiten: L’Tur, der Spezialist für kurzfristige Buchung. Je weniger zwangsweise Nachfrage zu einem bestimmten Ferien-Termin, desto größer die Chance für die Experten im Last Minute Packetierens, noch eine leicht verderbliche Urlaubsware zu finden, die man spontan verkaufen kann. Dieses Jahr scheint das wider Erwarten sogar ganz gut zu funktionieren. Trotz Versicherung der Veranstalter, dass nur das frühzeitige Buchen Geld sparen soll, und der Warnung, man werde keine Überkapazitäten haben, glaubt L’Tur, dass 2014 ein richtiges Last-Minute-Jahr werden wird. Warum, das versucht mir gleich Markus Orth im Reiseradio-Gespräch zu erklären.
Weit entfernt vom beschaulichen Aufenthalten auf einem Schiff mit Landexkursionen, die allenfalls Erkenntnisse in homöopathischen Dosen ermöglichen, und auch weit entfernt von kurzfristigen Spontanplanungen für Auslandsaufenthalte reist mein dritter Gesprächspartner heute, Norman Bücher. Wenn er unterwegs ist, dann wird es extrem und immer sehr weit weg von touristischen Trampelpfaden. Das jüngste Projekt des unruhigen Schwarzwälders: mit dem Kinderwagen zu Fuß durch Feuerland. Das ist nirgendwo buchbar. Aber ich vermute auch, die Nachfrage dürfte relativ bescheiden sein. Vor allem, wenn Sie gleich hören, mit welchen Widrigkeiten so wahrhaft Reisende wie Norman Bücher zu kämpfen haben.
Das Reiseradio ist gerade wieder zurück aus Ägypten, wo zum ersten Mal in Soma Bay der Kitesurf-Worldcup Station machte. Und zumindest für ein paar Tage zeigte sich die Red Sea Riviera so, wie man sich allzu gerne im Marketing positionieren möchte: als Spielwiese für die Jungen und Hippen, für die lässigen Sportler, für die nur der Himmel die Grenze ist. Kein Lamentieren über internationale rülpsende Billigtouristen an den All Inklusive Büffets, die zwangsläufig viele Hotels bevölkern, weil die klassische Klientel immer noch etwas mit Ägypten fremdelt wegen eines unsicheren Bauchgefühls. Sicherheit? Unsichtbar und effektiv. Wetter? Traumhaft. Windbedingungen? Perfekt. Ich muss zugeben: neben den üblichen sportlichen Ämusemangs an den Warmbadezonen dieser Welt fiel mir bei Rotem Meer spontan bisher nur das Tauchen ein. Das allerdings als eine mindestens „One time in your life“-Experience wegen der grandiosen Unterwasserwelt. Dass Soma Bay einer der weltweit besten Hotspots für Kitesurfer ist, habe ich erst bei diesem Worldcup gelernt.
Über den Wettkampf als solchen kann ich ehrlicherweise bis heute nichts Substantielles beitragen. Außer, dass es faszinierend anzuschauen ist, wie die jungen Kiter sich an den Schirmen auf ihren Brettern über den Wellen durch die Luft wirbeln lassen. Aber fragen Sie mich bitte nicht, was der Unterschied ist zwischen einem KGB, einem Low Front Mobe, einem Slim Chance oder einem Railey to Wrapped ist. Es sieht einfach geil aus. Und als jemand, der sich wahrscheinlich noch nicht mal auf dem Strand einigermaßen elegant auf einem normalen Surfbrett bewegen kann, hab ich auch absolut Hochachtung vor dererlei Körperbeherrschung und Wagemut.
Aber wir sind ja hier auch nicht das Sport- sondern das Reiseradio. Und es war faszinierend anzuschauen, wie das ehrwürdige, leicht verkitschte früher Interconti und jetzige Palm Royale in diesen Tagen wahrscheinlich das coolste Hotel am Roten Meer wurde. Nicht einmal die extrem bemühten Gastgeber, die schließlich die gesamte Tour einluden, hatten offenbar diese Metamorphose von der gediegenen Strandadresse zur exklusivsten Kitesurfer-Herberge der Welt so richtig verinnerlicht. Die Website des bei Thomas Cook buchbaren Luxushotels hat die Kiter als Zielgruppe jedenfalls noch nicht so wirklich entdeckt. Dabei gäbe es auf der weitläufigen Anlage mehr als genug Platz für diesen USP – liegt man doch schließlich perfekt an der Winddüse; so wie kein anderes Hotel; höchstens der Robinson Club auf der anderen Seite der Bucht. Aber den Wind hatte man bisher – wie man so hören konnte – eher als Bürde gesehen. So angenehm er dieser Tage bei über 40 Grad auch war.. in den kühleren Monaten kann er so manchen Strand-, und Pool-Enthusiasten auch etwas frösteln lassen.
Der Kitesurf-Worldcup wäre sicher nicht so möglich gewesen, wenn die verrückte Idee vom griechisch-stämmigen Hotelinhaber und dem Hamburger Veranstalter nicht die Begeisterung von Ägyptens Tourismus-Minister Hisham Zaazou geweckt hätte. Das war so ganz nach dem Geschmack des polyglotten Promoters, der schon etliche Regierungen überstanden hat. Schließlich bot dieser Event genau die Bilder, die er so gerne haben möchte in den Internationalen Medien: Ägypten als Bühne für einen jungen, sexy, fashionablen Sport. Huckepack-Marketing sozusagen. Am Rande der Veranstaltung hatte ich Gelegenheit zu einem intensiven Gespräch mit Hisahm Zaazou, wo er so offen wie selten über die Herausforderungen redet, die noch auf ihn warten.
Wenn man in einem der Resorts oder Gated Communities am Roten Meer ist, hat man ja auch bisher immer den Eindruck, das eigentliche Ägypten befindet sich außerhalb einer Käseglocke. Dieses Mal war es eine doppelte. Denn die Kiter sind eine Truppe für sich, die noch autistischer fokussiert ist auf Wasser, Wellen und Wind. Egal, was drumherum zu entdecken wäre. Deshalb hat es mich gejuckt, mich mit zwei jungen Menschen, beide sind 17, über das Gastgeberland zu unterhalten. Für Noussa Denkler ist es sogar ihre Heimat. Noch, denn in den nächsten Wochen siedelt sie um nach Damp. Und für den Gymnasiasten Linus Erdmann aus Hamburg ist Ägypten als Land der Pharaonen noch ziemliche Terra Incognita. Das vergnügliche Gespräch gleich gibt interessante Einblicke in die Erlebniswelt einer jungen Zielgruppe.
Und immer wieder versuche ich ja unterwegs Menschen zu treffen, die sich und ihr Leben dem Tourismus verschrieben haben fern der Heimat. Dieses Mal ist es der Deutsche Armin Lang, der mit seiner Kochjacke seit Jahrzehnten durch die Welt tingelt, bis hin zur zweiten Heimat Neuseeland, und den es jetzt im fortgeschrittenen Alter noch mal an die Küste des Roten Meers gespült hat, wo er als Küchenchef des Palm Royale alle Restaurants leitet. Über die Herausforderung, den täglichen Spagat zwischen authentischem Kochen und Büffet-Völlerei zu schaffen, unterhalte ich mich gleich mit dem Auswanderer von der Schwäbischen Alp.