Touristik Talk

Wasmitreisen - Das erste Reiseradio für Profis im Internet

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Hintergrund, Klatsch und Service für Touristik-Profis

Reiseradio 161 – Büchy sieht sonnige Reise / Reisenalyse: Reisebüros verlieren massiv / Deutschland Incoming ist Europameister / Flusskreuzfahrten: nur Delle, nicht Leck

Das Reiseradio meldet sich, wie jedes Jahr leicht ermattet zurück von der Reise um die ganze Welt, die fünf Tage rund um den Berliner Funkturm stattfand. Als einer von 5.700 akkreditierten Journalisten aus eben dieser ganzen Welt, die auf die 10.147 Aussteller aus der ganzen Welt losgelassen wurden. Allein 114.000 Fachbesucher sollen sich auf der ITB getummelt haben. Neben den 60.000 Berlinern am Publikums-Wochenende. Laut der Statistik ein Rekord. Auch wenn alle irgendwie subjektiv den Eindruck hatten, es wäre dieses Jahr viel gemütlicher und menschenleerer gewesen in den Messehallen. Aber die akkreditierten Fachbesucher können ja nicht alle wegen des frühlingshaften Sommerwetters in Berlin den Ausstellungsbereich geschwänzt haben…: schließlich sollen Geschäftsabschlüsse im Wert von 6,5 Milliarden Euro getätigt worden sein.
Die Touristische Industrie erweist sich wieder mal als Konjunktur-Lokomotive. Die allgemein gute Stimmung beim Konsum-Klima schlägt sich erfahrungsgemäß sehr schnell in Reise-Buchungen nieder. Geld ist vorhanden, die Sorgen um den Arbeitsplatz sind gerade gering, Zinsen gibt es kaum auf Erspartes – das alles sind die Komponenten, die Reisebüros in den nächsten Wochen einen guten Umsatz erhoffen lassen. Größtes Problem für die Branche ist derzeit ein hausgemachtes von Kultuspolitikern, die sich jenseits der Lebenswirklichkeit befinden.
Obwohl mit den Landes-Kultusministern seit Jahren geredet wird, wie mit schwer Erziehbaren, zwängen sie völlig beratungsresistent die Kinder im Sommer in einen derart engen Ferienkorridor, dass reisewillige Familien sich um die wenigen verfügbaren Plätze Bundesland-übergreifend balgen müssen – zu Höchstpreisen. Und der deutschen Industrie geht ein Milliardenumsatz verloren. Ein Mosaiksteinchen mehr im großen Bild der deutschen Politik, die sich beharrlich der Erkenntnis verweigert, dass mit Urlaub sehr wohl bedeutend Umsatz und Wirtschaftskraft entsteht in der vermeintlichen Nur-Export-Nation Deutschland.
In diesem Reiseradio gibt es die erste Nachlese von der ITB. Und in dieser Sendung sollen die Experten zu Wort kommen, die sich berufen äußern können zur touristischen Entwicklung allgemein.
Jürgen Büchy, der Präsident des Deutschen Reiseverbandes DRV spürt die sonnigen Aussichten für die Tourismusbranche und die positive Stimmung in den Messehallen. Er vermutet, dass in diesem Reisejahr zwischen zwei und vier Prozent mehr Umsatz gemacht werden kann; sollte es keine Krise geben, sind vielleicht sogar fünf Prozent Plus drin. Aber die Krise ist natürlich permanenter Partner der Reise geworden. Gerade noch kurz vor der ITB die Reisewarnung für den Sinai, die Ägypten wieder zurückwarf bei der vorsichtigen Erholung als Destination. Büchy äußert sich im Reiseradio auch zur unbefriedigenden Situation, dass die Industrie nicht stärker eingebunden wird mit ihrer Expertise in die geheimen Entscheidungen des Auswärtigen Amtes. Seine größte Baustelle liegt aber beim Problem der drohenden Gewerbesteuer auf eingekaufte Hotelleistungen. Wenn der DRV diesen Raubritter-Trick einiger Finanzverwaltungen nicht durch die Politik stoppen lässt, wird es ein massives Erdbeben in der Branche geben mit vielen Firmenabwanderungen aus Deutschland.
Dank der Forschungsgemeinschaft Urlaub und Reisen FUR wissen wir jedes Jahr genau, wie viele Deutsche ihren Koffer packten, um ihn wie lange unter welchem Sonnenschirm zwischenzuparken. Auch in der Statistik sind die Deutschen ein äußert reiselustiges Völkchen. Ein recht spendables obendrein. Gut 12 Tage sind sie mindestens unterwegs in ihrem Haupturlaub und lassen es sich etwa 900 Euro pro Person kosten. Wenn man sich vorstellt, dass das der Gegenwert eines guten Flachbild-HD-Fernsehers ist, kann man erahnen, wie wertvoll der Urlaub bei den Ausgaben für Lust und Laune angesehen wird. Aber natürlich gehen die Forscher um Martin Lohmann noch tiefer in die Materie und untersuchen zum Beispiel das Buchungsverhalten: und hier wird dann für die Reisebüros das Wasser in den Wein geschüttet: Sie laufen Gefahr, langfristig nicht mehr als Mittler an der Reisebuchung zu profitieren. Die Karawane zieht digital weiter.
Reinhard Meyer, der Präsident des Deutschen Tourismusverbandes könnte vor Kraft eigentlich kaum noch laufen, so viele Menschen machen in Deutschland Urlaub. 412 Millionen sagt die Zählung. Mit Abstand Spitzenreiter in Europa. Kein Wunder, dass Meyer sich ein wenig ärgert. 4,4% der Wirtschaftsleistung wird dadurch für Deutschland generiert – mehr als von den Banken oder der Automobil-Industrie – aber wenn die Branche Sorgen hat, ist die Politik taub. Das kann schon nerven.
Ein hausgemachtes Problem bekamen auch die Reedereien von der Politik als Geschenk: 12 Prozent mehr Steuern mussten sie letztes Jahr den Passagieren abknöpfen nach der Erhöhung der Mehrwertsteuer. Dazu kam noch ein wochenlanger Streik der öffentlich bediensteten Schleusenwärter, der auch auf dem Rücken der Schifffahrt ausgetragen wurde. Keine guten Rahmenbedingungen, um da noch ein Geschäft zu machen. Auf den Flüssen gab es denn auch ein riesiges Minus. Ob das ein böses Omen für die Zukunft ist, erläutert uns Robert Straubhaar, der Präsident der IG River Cruise.

Reiseradio 149 – TUI-CEO droht mit Abwanderung / Konzepthotels weiter als Strategie / Airtours: Luxus mit Synergie / Google: Reise ist Suche Nummer 1

Das Reiseradio ist wieder zurück von der Programm-Präsentation der TUI auf Teneriffa. Auf dem Rückweg, wie so viele, ziemlich durchgeschüttelt vom Orkan Christian, dessen TUI-Namensvetter und CEO ja bereits einen Tag davor einen Sturm nicht nur im Wasserglas der Branche entfesselte mit seinem lauten, und sehr bewusst-provokanten, Nachdenken: Ein international operierender Konzern könnte und kann sehr leicht Teile der Produktion ins Ausland verlagern, wenn die Politik kreative Steuer-Wegelagerei nicht stoppen würde. Es geht um die drohende Gewerbesteuer für vermittelte Hotelleistungen. Ein sperriges Thema ohne Sexappeal, aber extrem teuer für Veranstalter; zumal, wenn rückwirkend kassiert werden sollte.

Man hatte den Eindruck, nach all den Abgaben-Zumutungen der vergangenen Jahre war hier eine rote Linie sichtbar geworden, hinter der die großen Player nicht mehr höflich bleiben wollten. Da wird die Auslagerungs-Keule mit dem drohenden Arbeitsplatz-Verlust ein Kampfmittel, das man sich wohl von anderen damit erfolgreich operierenden Industriezweigen abgucken möchte.

Wird sehr spannend, ob wir in den kommenden Tagen erleben werden, dass es in dieser Frage einen Schulterschluss gibt mit den Mitwettbewerbern.

Passend orchestriert am Rande der Pressekonferenz konnte die TUI auch wieder jubeln über den Gold-Rang als Service–Champion bei den Veranstaltern und viertbestes deutsches Unternehmen überhaupt – nach Steigenberger, ADAC und Kempinski.

Und noch einen Preis darf man sich jetzt an die Marmorwand der Konzern-eigenen Hall of Fame klöppeln: TUI-Fly hat beim Ranking der umweltfreundlichsten Airlines von Atmosfair den Sieg unter allen großen Fluglinien mit weltweitem Streckennetz errungen. Dicht gefolgt von der Condor. Selbst Air Berlin spielt im Internationalen Vergleich auf Platz 12 gut mit. Vor allem, wenn man liest, dass unsere Premium-Airline Lufthansa auf Rang 67 trudelt.

Das Umwelt-Lob ist allerdings ein vergiftetes. Denn gute Platzierungen konnte man nur erreichen durch hohe Auslastung mit vielen, möglichst engbestuhlten Sitzreihen. Ob sich diese dunkle Seite der Medaille gut im Marketing verkaufen lässt, wage ich mal zu bezweifeln. Dann doch lieber CO2 kompensieren. Was die TUI auch brav tat für alle Teilnehmer bei My Climate. Da konnten dann nur noch die Puristen mäkeln, dass sich eine entsprechende Urkunde bei den Reiseunterlagen fand: aufwändig farbig gedruckt auf dickem Karton…

Ganz ohne Papier, dafür gehaltvoll original-tönend im Äther, passend zum Jubiläum 90 Jahre Radio in Deutschland,  bekommen Sie in dieser Ausgabe 149 von „Was mit Reisen“ die Highlights aus Teneriffa präsentiert im Gespräch mit CEO Christian Clemens und Touristik-Chef Oliver Dörschuck.

Synergetisch angedockt an die Veranstaltung von TUI Deutschland war auch im kleinen Kreis die Präsentation von Airtours, der High-High-End-Marke. Nach dem Weggang von Kirsten Feld-Türkis steht nun Stefan Krämer vor der schwierigen Aufgabe, das bekannte und geschätzte, manchmal kompromisslose Luxus-Label von Airtours zu pflegen, ohne, dass der verwöhnte Kunde merkt, dass jetzt im Maschinenraum die Räder etwas rustikaler, Konzern-abgestimmt ineinander greifen.

Im Gespräch mit dem Reiseradio versucht Stefan Krämer aber gleich die Sorgen zu zerstreuen, die absolute Premiummarke würde deshalb zwangsläufig ihren Anspruch beliebiger machen.

Und noch ein Thema wurde im Süden Teneriffas besetzt: Online. Das geschieht zwar immer noch mit Respekt vor dem Stationären Vertrieb. Man könnte auch sagen, mit Angst vor dem Zorn desselben. Aber das Credo ist klar: die Veranstalter werden das Online-Geschäft nicht kampflos den neuen Playern überlassen. Der Kunde soll da abgeholt werden, wo er die Reiseplanung und Buchung am angenehmsten empfindet – ohne falsche Rücksicht auf tradierte Wege.

Trotzdem konnte der Reise-Chef von Google Deutschland, Christian Bärwind, den Reisebüros ein Trostpflästerchen geben. Zwar werden 80 Prozent aller Reisen bereits im Internet recherchiert, aber fast jede zweite dennoch hinterher im Reisebüro gebucht. Der Ball liegt jetzt also beim Stationären Vertrieb, die Kunden kreativ online abzuholen, wenn man weiter relevant bleiben möchte. Die Entwicklung hin zum Internet lässt sich jedenfalls nicht mehr aufhalten.