Touristik Talk

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Hintergrund, Klatsch und Service für Touristik-Profis

Reiseradio 123 – ITB-Krach um Reiseverkauf: Positionen von Dr. Martin Buck (ITB) und Hans-Gustav Koch (DRV) /Essen auf Reisen: Ingrid Pernkopf – die Königin der Knödel aus Österreich / Karl Schiffner, der erste Bier-Sommelier-Weltmeister

Nach 10 Milliarden Reisenden im Jahr 2012 und der immer noch ungeschlagenen Urlaubslust der deutschen Reise-Weltmeister gilt es dieses Jahr, erneut die Bestmarke zu reißen. Wichtigster wirtschaftlicher Etappenschritt auf diesem Weg ist wieder einmal im März in Berlin die ITB – die größte Messe der Welt, wenn es um Reisen und Ferien geht. Selbst tituliert man sich gerne auch als das größte Reisebüro der Welt. Und deshalb gibt es gerade massiven Streit. Nicht etwa, weil irgendwo sonst auf dem Globus ein Messeveranstalter den Superlativ anzweifeln möchte. Es geht um den Grundgedanken eines Reisebüros. Der besteht nämlich tatsächlich darin, dem End-Kunden auch etwas zu verkaufen.

Dafür war sich die ITB bisher zu vornehm. Innerhalb der Branche wurde zwar immer schon geschachert und verhandelt, aber der Urlauber musste sich am Publikums-Wochenende mit Folklore und Faltblättern begnügen. Appetit holen ja, aber gegessen wird im Reisebüro um die Ecke.

Dieses Jahr will die Messe auch den Reiseverkauf erlauben. Wie das genau aussehen soll, weiß noch keiner, aber angeblich wollen die ITB-Manager nur den geäußerten Mehrheitswunsch der Aussteller umsetzen. Auch eine Befragung des Travel Industry Clubs brachte ein ähnliches Votum „Pro Ticketverkauf“. Lediglich der mächtige Dachverband DRV hält frontal dagegen. Hinter den Kulissen kracht es bis heute mächtig. Die Branchenvertreter befürchten einen Dammbruch, wenn es erst mal Sonderpreise gibt. Denn für Reisen gibt es immer noch eine nahezu uneingeschränkte und damit für die Branche sehr kommode Preisbindung in Deutschland.

Warum die Interessen da so aufeinanderprallen, dazu habe ich die beiden Haupt-Kontrahenten befragt: Dr. Martin Buck, den für die ITB zuständigen Messe-Manager und Hans-Gustav Koch, den DRV-Hauptgeschäftsführer. Beide, das kann ich schon jetzt verraten, haben gute Argumente für ihre Position.

Und dann gibt es in diesem Reiseradio auch noch einige verbale Kalorien zum Festtags-Ausklang. Leckeres zum Zuhören. Zwei Interviews zur akustischen Sättigung, aber gleichzeitig auch zum Appetit-Holen bei einem der nächsten Urlaube. Ort der Völlerei: Österreich. Genauer: Oberösterreich. Dort dreht sich die kulinarische Verführung vor allem um zwei Produkte: Knödel und Bier. Passen übrigens auch hervorragend zusammen. Ich traf die Knödelexpertin, Fernsehköchin und Buchautorin Ingrid Pernkopf in Gmunden am Traunsee (http://www.gruenberg.at). Sie ist die absolute Knödel-Queen des Landes. Ich hätte gefühlt nach mehreren Tagen bestimmt einige Kilo zugenommen, aber es wären die glücklichsten Kalorien-Kilo, die man sich anfuttern könnte.

Von da führte mich meine Diät-verachtende Recherche in den Böhmerwald, nach Aigen, wo der erste Bier-Sommelier-Weltmeister Karl Schiffner sein Restaurant und kleines Hotel betreibt (http://www.biergasthaus.at). Mehrere hundert Biersorten führt er im Ausschank. Das hat einen Weintrinker wie mich erst mal verunsichert, aber nach kurzer Zeit begeistert. Ein Bier-Menü zum Beispiel  dürfte so eines der Reiseerlebnisse sein, mit dem man viele Menschen auf der Suche nach dem Urlaubs-Kick begeistern könnte. Die kreativen Angebote sind es schließlich, die die Branche derzeit händeringend sucht, um Zielgruppen-spezifische Pakete zu schnüren. Ich verspreche Ihnen: trotzdem verursachen beide Gespräche kein Sättigungs-Gefühl, sondern sind einfach lecker.

Reiseradio 105 – Behindertengerecht wird Barrierefrei: Tourismus soll Chancen erkennen / Von der Transsib zum Orient-Express – Lernidee Erlebnisreisen / Wie trocken ist eine Linzer-Torte? / Jazzfestival Bozen

Manchmal sind es ja Kunstformulierungen, die haarscharf am Label „Bösdeutsch“ vorbeischrammen, weil sie bewusst vernebeln, anstatt klar zu benennen. „Freisetzen“ statt „Entlassen“ ist so ein Beispiel. Aber auch im Reisebereich zum Beispiel die Schwurbelwörter Klimaneutral oder Luftverschmutzungsrechte suggerieren Gutes, wo schlechte Verursachung getarnt wird. Das ZDF hat vor Jahren die leicht angestaubte und fragwürdige Etikettierung ihrer Sozial-Lotterie „Aktion Sorgenkind“ aufgehübscht durch „Aktion Mensch“. Freigiebig sein durch verbalen Wohlfühlfaktor.

Ein ähnliches Phänomen beobachten wir gerade bei einem anderen, sehr wichtigen Aspekt von Reisen: dem Behinderten-gerechten Tourismus. Die Sorglos-Branche hat nämlich leichte Berührungsängste gegenüber allem, was Wohlgefälligkeit stören könnte. Im Anglo-Amerikanischen Raum wird deshalb vermeintlich politisch korrekt gleich ganz glattgebügelt. Es geht nur noch bei der Zielgruppe um Menschen mit „special needs“. Und bei uns wird das Problem jetzt auch geweitet, um es schöner benennen zu können: aus Behinderten-gerecht wird Barriere-frei. Und schon gibt es keinen Widerhaken mehr im Kopf.

Das Bundeswirtschaftsministerium hat jetzt ein Projekt angeschoben, Barrierefreiheit zum Markenzeichen des Deutschland-Tourismus zu machen. Das hört sich erstmal wunderbar an, aber ist natürlich – wenn schon keine Mogelpackung, dann doch erst ein bescheidener Anfang. Denn in Schritt 1 geht es nur um Papier und Standards und Label. Bis Ende 2013 sollen das „Deutsche Seminar für Tourismus“ in Kooperation mit der „Nationalen Koordinationsstelle Tourismus für Alle“ (auch wieder so eine freundliche Vernebelung) erst mal einen Wissenspool aufbauen. Dann waren ja Wahlen, und dann sieht man weiter. Oder auch nicht. Ich sprach mit Staatssekretär Ernst Burgbacher und DSFT Geschäftsführer Rolf Schrader über diesen Versuch der Sensibilisierung und Qualifizierung. Und dann noch mit einem Praktiker eines Unternehmens, wo Barrierefreiheit schon längst praktiziert wird: Heiko Kain, dem Direktor Sales und Marketing des Berliner Scandic Hotels. Wirtschaftlich sehr erfolgreich übrigens – womit es für die Reisebranche noch interessanter wird.

Am Samstag war Showtime auf Gleis 11 des Berliner Hauptbahnhofs. Seit Ewigkeiten zum ersten Mal stand der legendäre Orient Express wieder in der Hauptstadt – bereit zur Fahrt nach Venedig mit dem kleinen Umweg über Hamburg. Die beiden Veranstalter Windrose und Lernidee hatten zahlungskräftige Reisende für diesen Nostalgietraum begeistern können. Bis Hamburg fuhr ich mit, als halbblinder Passagier in der Wurzelholz-Kabine von Lernidee-Geschäftsführer Thorsten Haferkamp. Und nutzte direkt mal die Gelegenheit für ein Gespräch über 25 Jahre Spezialistentum vorwiegend auf der Schiene.

In der letzten Sendung gab es viel schmunzelndes Feedback über die Nippelstory der Original Mozartkugel und die geschmacklich interessante Bosnia Wurst aus Salzburg. Heute lege ich noch eins nach: die Linzer Torte. Angeblich die älteste Torte der Welt. Verteufelt von den Liebhabern der Cremeschnitten und Sahnebomben, aber fast so erfolgreich, wie die Sachertorte. Und weil so robust, auch perfekt für den Versand geeignet. Der originale Linzer Konditor Leo Jindrak lüftet das süße Geheimnis.

Ende des Monats klingt es ganz anders im Südtiroler Bozen: Dann ist nämlich Jazzfestival, und kitschige Heimatkapellen haben Spielverbot auf den Musikbrettern und in den Clubs der Stadt. Wir haben schon einmal Klaus Widmann getroffen, den unermüdlichen Spiritus Rector der musikalisch so anspruchsvollen Veranstaltung, und mit ihm ein bisschen philosophiert, wie viel schräge Töne das aufgeräumte Südtirol so verträgt.