Touristik Talk

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Hintergrund, Klatsch und Service für Touristik-Profis

Reiseradio 092 – Rekorde in Berlin, aber Hotels hadern mit Preis / Waldorf Astoria – West-Berlins neue 1. Adresse / Tulpen nicht nur aus Amsterdam – Holland boomt / Schüler haben keine Angst vor Ägypten-Urlaub / Buchtipp: Terra Polaris

Als Journalist habe ich normalerweise Verständnis, wenn Beschäftigte selbst den Streik als Mittel der letzten Wahl sehen, um ihre wahrscheinlich nicht unberechtigten Interessen gegen „die da oben“ durchzusetzen. Aber was momentan am Frankfurter Flughafen passiert, ist einfach lächerlich. Da stehen geradezu absurde Forderungen im Raum von gerade mal 200 Hanseln, die mit ihrer Maßlosigkeit nicht nur Zigtausend Passagiere in Bedrängnis bringen,  sondern auch die übrigen Beschäftigten am großen Drehkreuz zu nervenaufreibender Mehrarbeit wegen der gestrandeten Menschen zwingen. 200 Menschen, die jetzt schon zu den sehr gut bezahlten Mitarbeitern gehören, nehmen die Fliegerei mit Millionenverlusten in Geiselhaft. Egal, wie dieser absurde Kleinkrieg ausgeht, hinterher dürften die Vorfeld-Arbeiter zu den meistgehassten Angestellten am Frankfurter Flughafen gehören. Auch eine Auszeichnung, die man sich hart erarbeiten muss…

Friedlicher geht es heute im Reiseradio zu. Auch wenn manche Hoteliers in Berlin trotz der Rekordzahlen bei den Übernachtungen in der Hauptstadt etwas resigniert die Faust ballen. Berlin ist nämlich vor allem auch deshalb so sexy für die Besucher, weil man hier sehr viel bekommt fürs Geld – verglichen mit anderen Metropolen. 70 Euro Durchschnittspreis für das Zimmer – da nähert sich Berlin Las Vegas an, wo die Hotelbetten auch oft fast verschenkt werden, weil man über den Casino-Umweg die Rendite erhofft. Leider ist die Auslastung in der Deutschen Hauptstadt aber weit entfernt von der der Spielermetropole. Gerade mal 50 Prozent – und wenn man nur die Innenstadthotels nimmt, 70 Prozent. Da fragt man sich, wo wird das Geld verdient? Burkhard Kieker, der Chef von Visit Berlin, ist sich des Problems bewusst, aber er muss natürlich das Große Ganze sehen. Jeder Besucher bringt Geld in die Stadt, und jetzt, wo der Senat mit Bettensteuer abkassieren will, ist jedes günstige Hotelzimmer doppelt Gold wert, wie er gleich im Gespräch erläutert.

Trotz der rechnerisch unbefriedigenden Hotelsituation in der Hauptstadt wird gebaut, dass es den Kränen schwindelig wird. Gerade in der Endphase ist das Waldorf Astoria, das nicht nur Berlins höchstes Hotel wird, sondern auch die City West am Bahnhof Zoo mächtig aufwerten soll. Die Internationalen Konzerne sehen Berlin langfristig immer noch als Goldgrube, weil man der Stadt weiter eine unglaubliche Entwicklung zutraut. Hotelinvestitionen ähneln heute einem Börsenspiel: da sind ja auch meistens Erwartungen schon in der Aktie eingepreist. Und Waldorf Astoria Direktor Friedrich Niemann, den ich zum Gespräch im 31 Stock auf der Noch-Baustelle traf, hat viele Visionen, was Auslastung und die Best Available Rate in Zukunft anzeigen.

Unser westlicher Nachbar Holland exportiert nicht nur geschmacklose Tomaten, sondern auch wunderschöne Blumen. Die wiederum, vornehmlich Tulpen in den kommenden Monaten, importieren umgekehrt Unmengen von Gästen Dieses Jahr noch mehr, weil es nicht nur den Keukenhof gibt, sondern auch noch die Floriade, eine Weltmesse der Gartenkunst. Lothar Peters, oberster Holland-Werber, peilt also den nächsten Besucherrekord im Land hinter den Deichen an. Eigentlich müsste er ein rundum zufriedener Mensch sein. Wenn der Staat ihm nicht das Budget gekürzt hätte. Um glatte 50 Prozent. Da mag in Den Haag die Tomaten-Devise gegolten haben: egal ob sie schmecken, und egal, ob wir sie bewerben – gekauft wird das Gemüse trotzdem. Warum soll das mit dem Tourismus nicht auch klappen…?

Expedienten am Reisebüro-Counter haben es momentan nicht leicht, Reisewillige für Ägypten zu überzeugen. Oft wird gerade bei den typischen Pauschalis von einer diffusen Angst berichtet – selbst in ihren sicheren All-Inclusive Anlagen am Roten Meer, die die meisten eh nicht verlassen. Diese Woche traf ich Schüler der Fichtenberg-Oberschule in Berlin. Sie hatten sich gerade von jungen Revolutionären aus erster Hand berichten lassen, wie es ist seit dem letzten Frühling. Deshalb wollte ich hinterher von Ihnen wissen, wie sie denn reagieren würden, wenn ihnen morgen jemand Urlaub anbieten würde im Land der Pharaonen. Mit einem sehr interessanten Ergebnis – nur, dass keiner von Ihnen sich vorstellen könnte, im Reisebüro klassisch zu buchen.

Und noch einen Buchtipp gibt es heute. Ein richtig schwerer Bildband über die Terra Polaris, also das Trekking in der Arktis und Antarktis. Das ist auch kein Produkt, das mal eben so über den Counter geht, aber manchmal ist Coffeetable Reisen ja auch sehr befriedigend. Ich sprach mit Michael Vogeley, der seine Lust am Abenteuer jedes Jahr ausleben muss. Ein Reisejournalist der ganz besonderen Art.

Reiseradio 075 – Konzernumbau zum Kundenversteher: Dr. Volker Böttcher zu GET15 bei der TUI / Kultur als touristisches Förderprogramm – Berlin boomt wegen der Kunst / Welttreffen der Königinnen: Blaue und Rote Mauritius gleich 18fach / Trekking für Abenteurer – das neue Buch von Michael Vogeley

Das Reiseradio nach einer K-Woche sozusagen. Ich hatte an einem Ort der Kommunikation mit Königinnen zu tun. Gleich mit 18 wertvollen Damen sogar. Ich habe erfahren, dass Kunst und Kultur es durchaus mit Kommerz im Tourismus zu tun haben, und dass ein Konzern trotz Klagen sich neu erfinden muss, um weiter seinen Kunden konkurrenzfähige Kaufangebote machen zu können.

Dr. Volker Böttcher hatte sich nach boulevardesken Kahlschlag-Schlagzeilen ausgerechnet die ehrbare Zunft der Berliner Kaufleute ausgewählt, um über das Umbauprogramm GET15 zu referieren, das die TUI fit machen soll für die neuen Herausforderungen an Touristikunternehmen. Angesichts der Überkapazitäten kann man die Preise kaum noch kontrollieren. Der Markt zerfällt in zwei Kontingente oder Cluster. Auf der einen Seite „billig will ich“, auf der anderen „was lacostet die Welt?“, aber bitte mit Erlebnisgarantie. Das könnte eine erbauliche Stunde für Marketinggeschwurbel über modernen Mainstream werden, aber leider hat die um sich greifende Unlust an der standardisierten Katalogbuchung auch die Schattenseite, dass die TUI die Kosten herunterschrauben muss. Und das heißt nichts anderes, als Kick-Off beim Personal. Im Reiseradio versucht Dr. Volker Böttcher, das Ganze in kommode Worte zu verpacken.

Wenn es um Kunst und Kultur geht in der Politik, dann versuchen Volksvertreter der eher robusten Art gerne die Konkurrenz herauszustellen zwischen den Nöten einer Kindertagesstätte und dem schwelgerischen Luxus irgendwelcher hochsubventionierter Opernsessel für die Klientel der Besserverdienenden. Kultur sei so etwas wie ein Fass ohne Boden für den Kämmerer. Aber jetzt schlagen die Künstler zurück. Die, denen man nachsagt, sie könnten nicht rechnen. Können Sie wohl, denn eine Stadt wie Berlin zum Beispiel zieht Kulturinteressierte an, wie ein saftiger Kuhfladen den Käfer auf der Almwiese. Selbst, wenn es dreistellige Millionenbeträge sind, die für Orchester, Bühne und Museen ausgegeben würden – mehr als doppelt so hoch ist die Summe, die die Besucher der Stadt wieder zurückbringen. Das ist eine interessante Rechnung: der Tourismus als Kulturförderungsgrund Nummer Eins. Berlins Staatssekretär André Schmitz zückt den Abacus.

Ebenfalls in Berlin, im Museum für Kommunikation, findet in diesen Wochen ein Königinnentreffen auf höchstem Niveau statt. Selbst, wenn die Damen weder besonders hübsch noch farbig schillernd, noch dreidimensional sind. Sie erscheinen sogar etwas würdelos, weil sie sich widerspruchsfrei von Kreti und Pleti die rechte Wange lecken ließen. Aber was kümmert schon die sabbernde Zunge des einmaligen Benutzers, wenn man als Schmerzensausgleich mittlerweile viele Millionen schwer ist? Die royale Apanage gebührt 18 blauen und roten Mauritius hinter Panzerglas. Sie werden nirgendwo auf der Welt Minidrucke finden, die mehr Geld wert sind. Auch ein Kulturereignis, das wieder Kohle bringt in die Hauptstadt. Ein Gespräch über den Mikrokosmos der Philatelisten konnte ich ausgerechnet mit dem Kollegen Wolfgang Windel führen, der zu seinen beruflichen Hochzeiten vor allem für die ganz großen Buchstaben im Briefmarken-Fachorgan Bild am Sonntag zuständig war. Reisen auf Marken. Auch ein touristisches Thema.

Das Wandern ist bekanntermaßen des Urlaubers höchste Lust. Gerne auch mit dem Zusatz Genuss versehen. Eine Ferienaktivität, die auf der nach oben offenen Skala der Brotzeit-Glücksgefühle gemessen wird. Damit hat Trekking ungefähr so viel zu tun, wie das All Inclusive Bändchen einer DomRep Ferienanlage mit dem Kibuzz-Aufenthalt am Toten Meer. Trekker fangen in der Regel da an, wo Urlauber schon das erste Blasenpflaster kleben. Ich spreche per Skype mit einem, der das Wandern abseits der Pfade zu seinem journalistischen Lebensinhalt gemacht hat: Michael Vogeley, Bergführer, Polarforscher, Entdecker und Extremsportler aus Leidenschaft. Gerade hat er ein Reisebuch herausgegeben über Traumziele für Trekker. Der Gegenentwurf sozusagen zum Last-Minute-Schnäppchen auf Malle.