Touristik Talk

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Hintergrund, Klatsch und Service für Touristik-Profis

Tourismus-Kritik sanfter geworden

Tourismus-Kritik und Industrie miteinander, statt gegeneinander. Der Verusch eines Disputs zwischen Michael Müller (SPD) und Dr. Harald Zeiss (TUI) Teil 2

Reiseradio 107 – Ferienorte als Filmkulisse – das Tourismus-Marketing der Zukunft? / Beispiel Weisses Rössl und Schlosshotel Orth: zu Tode geliebt? Nachhaltigkeit: nur Charity-Kosmetik, oder Stabsaufgabe bei den Veranstaltern?

Das Reiseradio ist wieder zurück aus dem Schlaraffenland des Filmkitsches, nämlich dem Salzkammergut…. Um das Kino im Kopf anzuwerfen, braucht es nicht viel… Sissi, unser Bonbon-Maderl, vor der Kulisse in Bad Ischl oder Fuschl – damals  Filmersatz für Possenhofen. Der Zahlkellner Leopold im Weißen Rössl am, wo?, klar Wolfgangsee, die Irrungen und Wirrungen des royalen Hotelbetriebs im Schloss Orth in Gmunden, die jahrelang nach dem Strickmuster einer Melange von Schwarzwaldklinik und Traumschiff die nach oben offene Seichheitsskala der televisionären Schmonzetten trefflich bespielte.. All das wurden – zumindest für Menschen oberhalb der 50 – absolute Sehnsuchtsorte.

Im Reiseradio wollen wir deshalb heute der Frage nachgehen, ob sich Dreharbeiten für TV und Kino auszahlen für das Hotel, die Stadt oder die Region? Zunächst haben heimsuchende Filmteams ja den Charme einer Horde Heuschrecken, die nichts verschont. Mit viel Selbst- und Sendungsbewusstsein wird die Location gekapert ohne Rücksicht auf Verluste – sprich, Gästewünsche ganz normaler Urlauber, die einfach nur ungestört Ferien machen wollen.

Aber beim Film ist es ja ähnlich, wie beim Hausbau: wenn erst mal das fertige Ergebnis da ist, vergisst man ganz schnell die anfangs nervenden Hürden vor den Würden. Wie sehr profitiert aber letztendlich die touristische Kulisse vom Herz-Schmerz-Drehbuch des Trivialen und der Heilen Welt? Wir beleuchten in der heutigen Ausgabe zwei Beispiele im Salzkammergut, die sehr exemplarisch Chancen und Risiken aufzeigen. Einmal die Serie Schlosshotel Orth, über deren Nutzwert für Gmunden es mittlerweile über 30 wissenschaftliche Studien gibt mit faszinierenden Erkenntnissen – und die Mutter aller Filmhotels, das Weiße Rössl am Wolfgang see, das aufpassen muss, nicht von den falschen Fans zu Tode geliebt zu werden, und wo man mit einer Mischung aus Lust und Schmerz verfolgt, dass in wenigen Wochen Ziegler Film die Neuauflage der Filmoperette für Kino und Fernsehen drehen wird – unter Umständen mit neuen Spätfolgen an Schaulustigen auf der Suche nach Peter Alexanders Geist.

Ich sprach mit der neuen Rösslwirtin Gudrun Peter über die Notwendigkeit, sich nicht auf Filmruhm ausruhen zu dürfen, und mit dem Tourismuschef der Region Traunstein, Andreas Murray, über die Skurrilität, ein Bomben-Hotel im Portfolio zu haben, in dem man nicht wohnen kann, weil es gar nicht in der Realität existiert.

Zweites Schwerpunktthema in dieser Sendung ist der Begriff Nachhaltigkeit – aber nicht im Sinne von „wie kann ich möglichst lange von der Zelluloid-Prominenz profitieren?“ Es geht um Reiseveranstalter – hier exemplarisch um die TUI, die ja immer schon Vorreiter unter den Großen war, wenn es um Fragen von Umweltschutz und Nachhaltigkeit ging. Stichwort: Dr. Wolf Michael Iwand, der sich als erster Umweltbeauftragter Verdienste erworben hat auch bei denjenigen, die anfangs eher eine Marketingfalle aus Hannover vermuteten – heute würde man dazu sagen Greenwashing. Der Nachfolger von Wolf Michael Iwand ist Professor Harald Zeiss, der sich schon längst nicht mehr nur um Kläranlagen und wilde Müllkippen kümmert, sondern viel stärker die Sinnfrage beantworten muss, ob Tourismus generell eher ein Fluch oder Segen für das bereiste Land ist. Dieses aus der Sicht eines kommerziellen Unternehmens, das mit dem Verreisen sein Geld verdient. Und man sieht schon, wie spannend die Gratwanderung eines Gutmenschen werden kann.

Nachhaltigkeit am Beispiel des TUI-Projekts „Lebensnester Haiti“

Trompeten, Traktoren und Tomaten: Es sind Kleinigkeiten, die den Kindern Haitis neue Hoffnung und Lebensfreude geben. Mehr als ein Jahr nach der verheerenden Erdbeben-Katastrophe auf Haiti gibt es bei dem auf fünf Jahre angelegten TUI Hilfsprojekt „Lebensnester für Haiti“, mit dem der Konzern einen Beitrag zum Wiederaufbau leisten möchte, weitere Fortschritte. Die Bedingungen am Projekt-Standort Gressier sind nach wie vor schwierig, doch die Salesianer Don Boscos (TUI Projektpartner) machen täglich Fortschritte. An dem konzernübergreifenden Hilfsprogramm, das von der Nachhaltigkeitsinitiative Futou-ris e. V. gemanagt wird, beteiligen sich die TUI AG, TUI Deutschland, TUI Suisse sowie TUI Österreich.

Reiseradio 074 – Ist „All Inclusive“ doch ein Segen für das Urlaubsland? / Mandarin Oriental will außerhalb Asiens wachsen / Aufwachsen in Hotellegenden: Elisabeth Gürtler vom Sacher und Andrea Kracht vom Baur Au Lac erzählen / Warum Venedig trotz Bettensteuer magisch bleibt

Das Reiseradio mag sich nach den Fernsehbildern von Irene auf einmal gar nicht mehr so echauffieren über die gelegentlichen Regengüsse der letzten Tage. Bei solchen Wettergewalten sind wir ja doch noch in unseren Breitengeraden quasi auf einer Insel der Seeligen. Flugstreichungen an die Ostküste der Vereinigten Staaten, Kreuzfahrtschiffe, die panikartig verfrüht aus den Häfen flüchteten und lieber hunderte Passagiere an Land zurückließen, als sich auf das Wagnis „Sturm am Kai“ einzulassen. Und was geschieht eigentlich mit all den Flugzeugen, die auf den Rollfeldern herumstehen? Angesichts herumfliegender Hausteile keine sehr beruhigende Vorstellung, nach Abzug der Sturmwolken so einen durchgerüttelten Flieger einzusteigen…

Wir bleiben heute lieber ganz fest auf dem Boden. Es geht um Menschen und Hotels im weiteren Sinne. Erstes Thema wird sein „All Inclusive“. Für manche Tourismuskritiker stellen diese Anlagen ja das Übel schlechthin dar des modernen Volumen-Tourismus. Doch wenn man die Argumente gegen diese Urlaubsform mal genau hinterfragt und konsequent weiterdenkt, dann entpuppt sich so manches als sozialromantischer Kitsch – wie die Mär vom armen Strandbarbetreiber Juan, der wegen All Inclusive seine Existenz verliert. Über die Wertschöpfung der All-Inclusive-Hotels unterhalte ich mich mit Professor Harald Zeiss von der Hochschule Harz, dem Leiter Nachhaltigkeitsmanagement der TUI.

Luxusherbergen der Fünf-Sterne-Plus-Klasse sind so der gefühlte Gegenentwurf zu den All-you-can-eat-Büffets und der Pinacolada aus dem Plastikbecher. Eine asiatische Kette mischt da ganz oben mit: Mandarin-Oriental. Und wie ein Bestandteil des Doppelnamens schon vermuten lässt: Mit dem Stammhaus in Bangkok, eben dem Oriental, hat man das schon zigfach als bestes Hotel der Welt ausgezeichnete Haus im Portfolio. Nun will sich die Gruppe stark auf dem nicht-asiatischen Markt ausdehnen. Ob das klappen kann, darüber unterhielt ich mich beim Frühstück mit dem Verkaufsdirektor Joachim Weber in Barcelona.

Wie ist es eigentlich, wenn man in Luxushotels quasi aufwächst, weil das Haus mit der Familie so eng verknüpft ist? Zum Beispiel in den beiden Signaturhotels in Österreich und der Schweiz? Die Rede ist vom legendären Sacher in Wien und dem schönen Baur Au Lac in Zürich. Ich hatte die Chance, Elisabeth Gürtler und Andrea Kracht gemeinsam zu sprechen. Eine kleine Philosophie auch über den Begriff Luxus.

Gerade erst hat Venedig beschlossen, auch eine Bettensteuer einzuführen. So Pi mal Daumen einen Euro pro Tag und Hotelstern. Kleine Prognose: das wird die Menschen nicht davon abhalten, die magische Lagunenstadt weiter tot zu lieben. Gloria Beggiato ist auch Tochter einer Hoteliersfamilie, nämlich die des Metropole. Sie würde lieber eine Eintrittsgebühr für Tagesgäste sehen. Denn die vor allem sind es, die entlang der Kanäle und Brücken das Schauen und Verweilen fast unmöglich machen. Trotzdem ist es eine Liebeserklärung an ihre Geburtsstadt.

Reiseradio 063 – Dehoga Präsident Fischer: keine Gnade für dreckige Restaurants / Umwelt war gestern – Nachhaltigkeit ist heute: TUI geht mal wieder voran / Das Schweizer Bergdorf Vnà mag kein Hotel sein: vom Scheitern einer klugen Idee / Eintrittsgebühr in die USA für Behörde statt Werbung?

Wir haben eigentlich zwei Schwerpunkte heute im Reise Radio. Zum einen kümmern wir uns um die Lage der Hoteliers und Gastronomen in Deutschland. Dazu gleich ein Gespräch mit Dehoga Präsident Ernst Fischer. Aber es geht auch um den Begriff Nachhaltigkeit im Tourismus, Jetzt höre ich schon Ihr Aufstöhnen. Oh je, Reiseradio macht heute eine Gutmenschen-Sendung. Als ob die Branche nicht andere Probleme hätte. Aber seien Sie gespannt, wie konkret Bemühungen um nachhaltigeres Reisen auch im Volumen-Tourismus erfolgsversprechend sein können, wenn privatwirtschaftliche Konzerne und Entwicklungshilfe gemeinsame Sache machen. Und wie sehr Hilfe auch scheitern kann, wenn man Betroffene ohne böse Absicht zu ihrem Glück ein wenig zwingen möchte…

(ab 07:35) Wenn Interessensverbände zur Lage der Branche laden, dann ahnt man als Journalist in der Regel den Inhalt schon voraus: die Lage ist hoffnungslos, aber zum Glück nicht ernst. Klagen gehört zum Geschäft. Das haben die Bauernverbände beispielgebend so vorgeführt. Auch Dehoga Präsident Fischer wollte trotz Steuerersparnis und Rekord-Übernachtungszahlen nicht nur Hosianna murmeln. Er möchte die reduzierten Steuersätze nun auch in Schritt Zwei für die Gastronomie durchsetzen. Man muss sich eben noch Ziele setzen. Aber eben nicht für alle Betriebe: selten hat ein Verbandschef so massiv die Schließung von Restaurants und Futterbuden gefordert, die ekelig bei den Kontrolluntersuchungen auffallen. No mercy. Keine Gnade. Nun bleibt die Frage, ob Fischer den Rächer der Sauberen gibt, der ob er nur ein verbal schlauer Fuchs ist, um die ungeliebte Hygiene Ampel zu vermeiden. Urteilen Sie selbst nach dem Interview.

(ab 24:30) Bei Nachhaltigkeit im Tourismus hat man ungerechterweise immer so das Bild der Sandalenträger vor Augen, die etwas unbequem in den Strandhütten einer Wasserindianer-Kollektive sinngebend auf Kurzzeit leben wollen, wie die Einheimischen und ganz gestresst sind vom permanenten Versuch, sich höflichst zu assimilieren. Sozusagen der Gegenentwurf zum rülpsenden Ballermann. Von den nachdenklich durch die Welt Stolpernden profitieren Veranstalter, wie die von Anders Reisen. Von den anderen die Volumenveranstalter. Einer, und sogar der volumigste, hat aber jetzt auch die Nachhaltigkeit für den Massentourismus entdeckt. So dezent, dass es den Urlaubern nicht weh tut und als Spaßbremse missverstanden wird, aber so wirksam, weil eben Millionen kleiner Schritte in der Regel weiter führen, als beherztes Auftreten einer Mini-Elite. Es erwartet Sie ein sehr interessantes Gespräch mit dem Nachhaltigkeits-Beauftragten der TUI, Professor Harald Zeiss und Klaus Lengefeld von der GIZ, der Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit.

(ab 40:30) Aber…: dass Gutes wollen, Gutes machen nicht unbedingt zum nachhaltigen Erfolgserlebnis wird, wenn man es versäumt, die Seelen der Betroffenen rechtzeitig mitzunehmen auf den neuen Weg, das zeigen wir im folgenden Gespräch. Ein Dorf wird Hotel. Das war so ein Musterprojekt. Über so etwas berichten Journalisten gerne. Da wird anscheinend alles richtig gemacht. Win-win-Situation für alle. Das ist Tourismus, wie wir ihn lieben… wollen. Aber im Engadiner 70-Seelen-Bergbauern-Dorf Vná waren die Bauern stur. Städter würden arrogant murmeln, sie waren etwas beschränkt und haben die Chancen nicht gesehen. Auf jeden Fall wollen sie lieber, das alles so bleibt wie früher. Und bauernschlau haben sie erkannt, dass durch die weltweite Aufmerksamkeit auf das Bergdorf Vná die Maklerpreise für wackelige Hütten astronomisch in die Höhe geschossen sind. Auch so kann man scheinbare Armut bekämpfen. Wenn auch nicht in touristisch gewünschter Weise. Wir sprechen mit einer der Initiatorinnen, Urezza Famos.

http://www.hotelvna.ch/

http://www.spiegel.de/reise/aktuell/0,1518,593384,00.html

(ab 54:55) Irgendwie wird auch Amerika-Reisenden seit Anfang des Jahres vorgegaukelt, die neue Einreisegebühr in die USA würde nachhaltig für etwas Gutes verwendet. Nämlich die Tourismuswerbung für das großartige Land. Leider bekam mein Kollege Rüdiger Edelmann auf dem Pow Wow in San Francisco den Eindruck, hier entsteht eine gefräßige, sich selbst ernährende neue Behörde, die vor allem sich selbst verwaltet und alimentiert – mit einem Behördenleiter, dessen Fachkompetenz nur Spurenelemente von Tourismusmarketing enthält.

(ab 01:02:45) Vielleicht sollten wir nur noch virtuell nach Amerika reisen. Nein, so viel Online und Digital möchte selbst der Fachverband des Internet-Reisevertriebs nicht. So lange Gedankenreisen à la Total Recall nur Hollywood-Phantasien mit Arnold Schwarzenegger sind, sollte am Ende des Beratungs-Prozesses auf durchschnittlich 13 Webseiten auch irgendwann eine Buchung stehen. Darüber – unter anderem – unterhalte ich mich mit meinem Lieblingsprofessor Karl Born, dessen Liebe zum Internet legendär ist.