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Reiseradio 147 – Krisen erreichen auch Studiosus / next topic: Menschenrechte im Tourismus / Bad Kissingen im Wandel / Kur mit Emotionen aufpeppen

Das Reiseradio ist gerade zurück von einigen entspannten Tagen auf Hiddensee, der kleineren, ruhigen Schwester von Rügen. Was es von dort „Neues“ zu berichten gibt, darüber mehr in der nächsten Sendung. Aber der Besuch dieses nahen, unkomplizierten Ziels passt ganz gut als gefühlter Kontrapunkt zu den Schwerpunkten dieses Reiseradios: Menschenrechte im Tourismus, Krise beim größten deutschen Studienreise-Veranstalter, Innovationsdruck bei Kurorten, Wandel einer Strategie bei Gesundheitsreisen. Von all dem scheint Hiddensee weit entfernt. Obwohl so weit im Norden, passt ausgerechnet ein bayerischer Spruch perfekt zur Gefühlslage in der Ostsee: Mir san mir. Noch ist das größte Problem die Verteilung der Zimmer in der Saison und das Bewältigen der Tagesgäste, die auf das scheinbar Sorgen-, und Autofreie Eiland wollen – und das in großer Zahl. Natürlich braucht es auch hier neuer Strategien – darüber, wie schon gesagt, mehr in der nächsten Sendung. Aber verglichen  mit den Herausforderungen, über die wir heute berichten, ist Hiddensee immer noch eine Insel der Seligen…

„Menschenrechte im Tourismus“! Diese zu wahren, ist ein Riesenanspruch, der vor allem die großen Veranstalter mit ihrem Volumengeschäft grübeln lässt. Hat man sich gerade erst doch mit dem dicken Brocken Umwelt im Bereich Nachhaltigkeit arrangiert, warten nun Herausforderungen auf eine Geschäftsführung, die noch schwerer zu bewältigen sind; die aber bei Ignoranz mit einem kaum noch kontrollierbaren Krisen-Pendel zurückschwingen. Marktführer TUI hat es unsanft erleben müssen, als der ARD-Markencheck die Arbeitsbedingungen in der Türkei anprangerte. Durchaus zu Recht, wie man auch im Konzern einräumen musste; stellvertretend für die gesamte Branche. Beim Thema Menschenrechte geht es nicht mehr „nur“ um Müllvermeidung, Energiesparen und einige Ökogirlanden für das gute Gewissen. Vor allem die Arbeitsbedingungen in den Zielländern, die oft an rechtlose Situationen in der Dritten Welt erinnern, lassen sich schlecht mit dem unbeschwerten Sonnenschein-Image der Reiseindustrie verbinden. Problem erkannt, aber noch lange nicht gebannt. Denn hier müssen wirklich alle an einen Tisch. Auch die Umwelt-Ignoranten bei den Veranstaltern, die es durchaus auch heute noch gibt, und die billig im Windschatten der anderen mitsegeln. Erste Leitlinien sind das Ergebnis eines Runden Tischs. Welche Schwierigkeiten es gibt, diese überhaupt zu erkennen und zu formulieren, darüber spreche ich gleich mit Matthias Leisinger, der sich beim Schweizer Veranstalter Kuoni um Nachhaltigkeit kümmert.

Übrigens: wer mehr über die Problematik Menschenrechte im Tourismus, und was sie für die Industrie bedeuten, wissen möchte…: auf der Reiseradio-Webseite finden Sie auch im original die Keynote, die ich vor den Initiatoren des Runden Tischs gehalten habe.

Einer der Unterzeichner der Leitlinien ist Peter Mario Kubsch von Studiosus. Klar,  seine Klientel dürfte sehr affin zu diesem Thema sein. Wer ein Land intensiv kennenlernen und begreifen will, der macht vor den real existierenden Problemen nicht die Augen zu. Und würde auch kritisch nachfragen, wenn der Veranstalter seines Vertrauens da nicht vorbildlich agiert. Studienreisen sind eine exklusive Nische. Da würde man meinen, sie ist auch immuner gegen Krisen im Tagesgeschäft. Weit gefehlt: der schwache Euro Mitte 2012, als man die Reisen für dieses Jahr einkaufen musste, und die negativen Schlagzeilen gerade über die Länder, die Stammziele für wissbegierige Entdeckergruppen sind, machten Studiosus im langsam zu Ende gehenden Geschäftsjahr richtig Sorgen. Der Umsatz konnte zwar gehalten werden; aber nur, weil die Reisen massiv verteuert waren. Ob die rückläufigen Teilnehmerzahlen 2013 ein düsterer Vorbote sind für eine generelle Krise bei hochwertigen und gar nicht preiswerten Studienreisen, darüber unterhalte ich mich gleich mit Peter-Mario Kubsch.

Letzte Woche tagte mein Berufsverband, die Vereinigung Deutscher Reisejournalisten, in Bad Kissingen. Ein hübsches, kleines Städtchen mit großer Vergangenheit, immer noch angeblich der bekannteste Kurort der Republik, aber trotzdem in die Jahre gekommen. Nicht baulich. Das meiste in den Kuranlagen ist wunderbar gepflegt. Aber inhaltlich. Wie lange kann man noch mit der Kur Kasse machen? Und was muss man konkret tun, um andere Gäste zu interessieren für seine Angebote? Das Trinkwasser aus den berühmten Quellen ist zwar nach wie vor so gut wie zu Kaisers Zeiten, aber läuft Gefahr, marketingmäßig zu versickern, wenn man die Nostalgie nicht mit frischen Ideen aufpeppt. Frank Oette ist der neue Kurdirektor von Bad Kissingen. Mit ihm sprach ich über sein Konzept.

Natürlich muss man sich im Reiseradio für die Touristik-Profis auch über das Große, Ganze, unterhalten. Dafür ist Georg Overs vom Bayerischen Heilbäderverband zuständig. Denn Bad Kissingen ist fast überall, wo der Zusatz Bad den Ortsnamen schmückt. Die Kur ist zwar nicht so tot, wie ihr fälschlicherweise oft angedichtet wird, aber sie muss mit neuer Emotionalität aufgeladen werden. Aber bitteschön mit medizinischem Sachverstand und ohne Wellness-Chi-Chi. Welche Herausforderungen das sind, berichtet uns gleich Georg Overs als Funktionär und Praktiker.

Reiseradio 111 – DERTour: Alles Wellness oder was? / Bayerische Bäder: der Kur neue Kleider / Kneipp mit Schwester Waldefried / Moorschlamm modern / Brückenau – Lola Montez erregt / Regena-Resort: Gesund ohne Gucci

Eigentlich müsste das Reiseradio stilecht mit Narrenkappe und Narhalla-Marsch diese 111. Ausgabe starten… Aber keine Sorge: ganz Schnapszahl-frei kümmern wir uns heute sehr gesund und ausgeglichen um die qualifizierte Wellness am Beispiel Bayern.

In der Ruhe liegt schließlich die Kraft – Kontrastprogramm zu den touristischen Schlagzeilen in diesen Tagen – in der Farbtherapie ist jetzt Grün die ganze Hoffnung von Thomas Cook, wogegen die Hausfarben Gelb-Blau anscheinend als Schwedenfarben immer mehr zur TUI wechseln, worauf der Aufsichtsrat jetzt doch mal gehörig mit Rot gegensteuerte. Ich glaube, Vodafone hat sogar dasselbe RAL-Rot wie der TUI-Smiley. Und der designierte künftige Top-Manager für die AG, Friedrich Joussen, denkt und spricht sogar deutsch…!  Aber es ist schon interessant: Unterhaltungs-Elektronik managen oder Mobilfunk, das prädestiniert heute anscheinend  für das so überaus komplexe Gefühls-Geschäftsfeld der Urlaubs-Manufaktur. Wobei einem ja immer stärker der Eindruck vermittelt wird, Manufaktur sei von vorgestern. Nur elektronische Effizienz bringe das Ergebnis von morgen.

Ganz naiv stelle ich mir dann manchmal die Frage…: wenn es tatsächlich so ist, dass der Gesamtkuchen Reisemarkt seit Jahrzehnten relativ stabil bleibt, und wenn trotz der alljährlichen Nebelkerzen mit den Rabatten der Preis dennoch kontinuierlich steigt… – wie kommt es dann, dass die Veranstalter früher (also in Vor-plc-Zeiten) das Geld im Gegensatz zu heute geradezu scheffelten…? War der Urlauber tatsächlich so blöd und anspruchslos, dass man ihm alles teuer verkaufen konnte…? Und haben heute die angeblich synergetischen, internationalen Strukturen, die glühenden Serverfarmen und alles-ist-möglich-Datenmixturen tatsächlich alles besser, Ertrag-reicher und zukunftsfähiger gemacht…?

Vodafone erlebt gerade einen Shitstorm empörter Telefonnutzer im Netz, eben weil der Service anscheinend arrogant und ineffektiv dem Kunden gegenüber sei. Auch das ist letztendlich in der Verantwortung des hoch vor-gelobten Friedrich Joussen. Hoffentlich kein schlechtes Omen für die Schwerpunkte, die er bei der TUI setzen möchte. Denn die wertvolle Kundenbindung, die der Mobilfunk-Branche schon komplett abhanden gekommen ist, und die nur noch durch fast schon unlautere Vertragstricks aufrechterhalten wird, ist das einzige Gut, das Reiseveranstalter heute als Überlebensgarantie haben… leider teurer Service wird die Erfolgsformel heißen.

Womit wir wieder – zugegeben etwas brachial – beim Thema dieses Reiseradios wären: dem sich Kümmern. Bei keinem touristischen Produkt ist das so wichtig, wie bei den Wellness- oder Gesundheitsreisen. Es ist ein fast schon intimes Abenteuer, auf das sich der Kunde einlässt. Besonders bei denen, die sich nicht nur aus Lust am Wohlfühlen verwöhnen lassen wollen, sondern die eine heilende Wirkung erhoffen.

Veranstalter wissen deshalb, dass sie, wenn sie sich auf dieses Gebiet wagen, ein höchst anspruchsvolles Produkt im Portfolio haben. Eines, das bei der Zusammenstellung und Pflege ähnlichen Aufwand bereitet, wie das Luxussegment. Allerdings mit weniger Marge. Trotzdem ist es auch bei DERTour ein Kompetenz-Katalog, der wegen seiner Beratungs-Intensität eben keine Internet-Konkurrenz zu fürchten hat. Ich sprach mit der Verantwortlichen, Sabine Gerhard, über die neue Definition von Wellness.

Die meisten Gesundheits-orientierten Reisen werden nach wie vor in der Heimat unternommen. Das ist eine große Chance für die deutschen Kurorte, eine Renaissance zu erleben. Klassisch gut, aber in moderner, zeitgemäßer Verpackung. In dieser Sendung beschäftigen wir uns am Beispiel Bayern mit dieser Herausforderung. Klaus Holetschek, der Vorsitzende des Heilbäderverbandes, weiß, dass Qualität zwar das beste Argument ist, aber zur Erfahrung auch die Erneuerung dazukommen muss, um die Selbstzahler zu locken.

Kneipp und Bad Wörichshofen – da steckt gefühlt die Urmutter der organisierten Gesundheits-Landverschickung drin. Eigentlich Ömchen, aber trotzdem topaktuell – wenn diejenigen, die es machen, mit Herz und Seele davon überzeugt sind, wie Mutter Oberin, Schwester Waldefried.

Auch Moor-Schlammpackungen sind eigentlich und vermeintlich so langweilig, dass sie kaum noch zur Wellness-Verführung taugen. Es sei denn, wie in Bad Kohlgrub, sie werden mit Begeisterung zelebriert, wie durch Anton Gundlfinger.

Höhepunkt der kleinen Rundreise ist das Staatsbad Bad Brückenau – inklusive adeligem Kurschatten und kaiserlichem Skandal. Die Quellen bleiben weltberühmt, und die Abgeschiedenheit legendär. So sehr, dass selbst die hollywoodeske Betty Ford Sucht-Klinik ihren europäischen Ableger nun dorthin setzte, wie wir, natürlich diskret, von Kurdirektorin Andrea Schallenkammer erfahren.

Von Klinik ist das Regena Resort am selben Ort weit entfernt – und doch hat sich das Hotel still und heimlich zu einer der besten Adressen Deutschlands für Gesundheitsurlaub gemausert. Im Reiseradio erfahren Sie vom quirligen Direktoren-Vorturner Joachim Hunger, warum.