Touristik Talk

Wasmitreisen - Das erste Reiseradio für Profis im Internet

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Hintergrund, Klatsch und Service für Touristik-Profis

Reiseradio 111 – DERTour: Alles Wellness oder was? / Bayerische Bäder: der Kur neue Kleider / Kneipp mit Schwester Waldefried / Moorschlamm modern / Brückenau – Lola Montez erregt / Regena-Resort: Gesund ohne Gucci

Eigentlich müsste das Reiseradio stilecht mit Narrenkappe und Narhalla-Marsch diese 111. Ausgabe starten… Aber keine Sorge: ganz Schnapszahl-frei kümmern wir uns heute sehr gesund und ausgeglichen um die qualifizierte Wellness am Beispiel Bayern.

In der Ruhe liegt schließlich die Kraft – Kontrastprogramm zu den touristischen Schlagzeilen in diesen Tagen – in der Farbtherapie ist jetzt Grün die ganze Hoffnung von Thomas Cook, wogegen die Hausfarben Gelb-Blau anscheinend als Schwedenfarben immer mehr zur TUI wechseln, worauf der Aufsichtsrat jetzt doch mal gehörig mit Rot gegensteuerte. Ich glaube, Vodafone hat sogar dasselbe RAL-Rot wie der TUI-Smiley. Und der designierte künftige Top-Manager für die AG, Friedrich Joussen, denkt und spricht sogar deutsch…!  Aber es ist schon interessant: Unterhaltungs-Elektronik managen oder Mobilfunk, das prädestiniert heute anscheinend  für das so überaus komplexe Gefühls-Geschäftsfeld der Urlaubs-Manufaktur. Wobei einem ja immer stärker der Eindruck vermittelt wird, Manufaktur sei von vorgestern. Nur elektronische Effizienz bringe das Ergebnis von morgen.

Ganz naiv stelle ich mir dann manchmal die Frage…: wenn es tatsächlich so ist, dass der Gesamtkuchen Reisemarkt seit Jahrzehnten relativ stabil bleibt, und wenn trotz der alljährlichen Nebelkerzen mit den Rabatten der Preis dennoch kontinuierlich steigt… – wie kommt es dann, dass die Veranstalter früher (also in Vor-plc-Zeiten) das Geld im Gegensatz zu heute geradezu scheffelten…? War der Urlauber tatsächlich so blöd und anspruchslos, dass man ihm alles teuer verkaufen konnte…? Und haben heute die angeblich synergetischen, internationalen Strukturen, die glühenden Serverfarmen und alles-ist-möglich-Datenmixturen tatsächlich alles besser, Ertrag-reicher und zukunftsfähiger gemacht…?

Vodafone erlebt gerade einen Shitstorm empörter Telefonnutzer im Netz, eben weil der Service anscheinend arrogant und ineffektiv dem Kunden gegenüber sei. Auch das ist letztendlich in der Verantwortung des hoch vor-gelobten Friedrich Joussen. Hoffentlich kein schlechtes Omen für die Schwerpunkte, die er bei der TUI setzen möchte. Denn die wertvolle Kundenbindung, die der Mobilfunk-Branche schon komplett abhanden gekommen ist, und die nur noch durch fast schon unlautere Vertragstricks aufrechterhalten wird, ist das einzige Gut, das Reiseveranstalter heute als Überlebensgarantie haben… leider teurer Service wird die Erfolgsformel heißen.

Womit wir wieder – zugegeben etwas brachial – beim Thema dieses Reiseradios wären: dem sich Kümmern. Bei keinem touristischen Produkt ist das so wichtig, wie bei den Wellness- oder Gesundheitsreisen. Es ist ein fast schon intimes Abenteuer, auf das sich der Kunde einlässt. Besonders bei denen, die sich nicht nur aus Lust am Wohlfühlen verwöhnen lassen wollen, sondern die eine heilende Wirkung erhoffen.

Veranstalter wissen deshalb, dass sie, wenn sie sich auf dieses Gebiet wagen, ein höchst anspruchsvolles Produkt im Portfolio haben. Eines, das bei der Zusammenstellung und Pflege ähnlichen Aufwand bereitet, wie das Luxussegment. Allerdings mit weniger Marge. Trotzdem ist es auch bei DERTour ein Kompetenz-Katalog, der wegen seiner Beratungs-Intensität eben keine Internet-Konkurrenz zu fürchten hat. Ich sprach mit der Verantwortlichen, Sabine Gerhard, über die neue Definition von Wellness.

Die meisten Gesundheits-orientierten Reisen werden nach wie vor in der Heimat unternommen. Das ist eine große Chance für die deutschen Kurorte, eine Renaissance zu erleben. Klassisch gut, aber in moderner, zeitgemäßer Verpackung. In dieser Sendung beschäftigen wir uns am Beispiel Bayern mit dieser Herausforderung. Klaus Holetschek, der Vorsitzende des Heilbäderverbandes, weiß, dass Qualität zwar das beste Argument ist, aber zur Erfahrung auch die Erneuerung dazukommen muss, um die Selbstzahler zu locken.

Kneipp und Bad Wörichshofen – da steckt gefühlt die Urmutter der organisierten Gesundheits-Landverschickung drin. Eigentlich Ömchen, aber trotzdem topaktuell – wenn diejenigen, die es machen, mit Herz und Seele davon überzeugt sind, wie Mutter Oberin, Schwester Waldefried.

Auch Moor-Schlammpackungen sind eigentlich und vermeintlich so langweilig, dass sie kaum noch zur Wellness-Verführung taugen. Es sei denn, wie in Bad Kohlgrub, sie werden mit Begeisterung zelebriert, wie durch Anton Gundlfinger.

Höhepunkt der kleinen Rundreise ist das Staatsbad Bad Brückenau – inklusive adeligem Kurschatten und kaiserlichem Skandal. Die Quellen bleiben weltberühmt, und die Abgeschiedenheit legendär. So sehr, dass selbst die hollywoodeske Betty Ford Sucht-Klinik ihren europäischen Ableger nun dorthin setzte, wie wir, natürlich diskret, von Kurdirektorin Andrea Schallenkammer erfahren.

Von Klinik ist das Regena Resort am selben Ort weit entfernt – und doch hat sich das Hotel still und heimlich zu einer der besten Adressen Deutschlands für Gesundheitsurlaub gemausert. Im Reiseradio erfahren Sie vom quirligen Direktoren-Vorturner Joachim Hunger, warum.

Reiseradio 103 – MeckPomm sucht junge „Gastgeber“ / Bayern sucht neuen Wein für alte Schläuche / Gesundheit als Nachfolgethema für Wellness / Bayerischer Innovationspreis für kulinarisches Kino / ZDF-Bühne wirbt für Usedom

Das Reiseradio war letzte Woche anlässlich eines putzigen Events unterwegs, der sich „Saisonauftakt von Bayern und Mecklenburg Vorpommern“ nennt. Wie könnte man das erklären? Fischkopf und Lederhose präsentieren sich Seite an Seite, was angesichts der unterschiedlichen Heimat-Topografie und dem damit einhergehenden Urlauber-Beuteraster gerade noch ganz gut klappt. Trotzdem blieb der journalistische Nutzwert des auf Kompatibilität mehrfach Staatskanzlei-überprüften Programms überschaubar. Aber dazu mehr später.

Die Kernveranstaltung fand übrigens im ehrwürdigen Bad Wörichshofen statt, dem Mutterort aller Kneipp’schen Anwendungen. Trotz meiner Phobie geradezu gegenüber kaltem Wasser traute ich mich, Ja!, an eine Gesichtsspülung. Was soll ich sagen? Gegenüber dem, was Ernst Bromeis, der schwimmende Held unserer letzten Sendung, auf den ersten 400 Kilometern seiner Rhein-Expedition ertragen musste, war diese Minuten-kurze eiskalte Wellnessdusche ein Fliegenpippi im Ozean. Mir hat es trotz der unbestritten belebenden Wirkung gereicht. Und deshalb nochmals Respekt vor der Leistung des Extremsportlers. Selbst wenn das Blaue Wunder wegen des zwischenzeitlich blau gefrorenen Schwimmers abgebrochen werden musste.

Für Schweiz Tourismus ist das natürlich suboptimal gelaufen, weil so die Festivitäten im wichtigsten Markt Deutschland buchstäblich ins Wasser fielen. Und trotzdem wird jeder begriffen haben, dass man in der Schweiz nicht nur Bergwandern kann, sondern ebenso seine müden Füße in etlichen Gewässern wieder – sagen wir es mal freundlich – erfrischt bekommt. Als Trostpreis gibt es deshalb diese Woche auf der Website des Reiseradios den seit langem witzigsten touristischen Werbespot einer Nation: nämlich dem zum Wasserland Schweiz vor dem Sommer. Und als Berliner muss ich für abgesagte Feierlichkeiten momentan eh zwangsläufig mehr als Verständnis haben..

Zurück zum Saisonauftakt: Klammerthema der beiden Feriendestinationen war die Gesundheit. Also all das, was etwas oberhalb von Wellness angesiedelt ist. Ein gerade hochaktueller Komplex, auch medial befeuert. Auszeiten vom Alltag, bewusste Vorsorge aus Eigenverantwortung und aus eigener Tasche. Bayern und Mecklenburg Vorpommern nähern sich diesem Trend von ganz gegensätzlichen Seiten. Im Süden hat man eine extrem hohe Dichte von alt-ehrwürdigen, etwas verschnarchten, Bädern, die nach aktueller Verwendung dürsten. Da geht es also für den Tourismus eher darum, neuen Wein in alte Schläuche zu füllen und Kurorte zu reanimieren. An der Küste dagegen ist alles, was unterhalb einer ärztlichen Kur rangiert, noch Urlaubsneuland. Da gilt es, aus dem nicht selten anzutreffendem Wellness-Schnickschnack qualifizierte, wirksame Anwendungen zu basteln, die auch noch Spaß machen. Ich habe die beiden Tourismus-Geschäftsführer Jens Huwald aus Bayern und Bernd Fischer aus Mecklenburg Vorpommern zu einem kleinen Streitgespräch vor das Mikro geladen. Dickschiffe auf liebevollem Kollisionskurs.

 

Für die Pirouetten auf politischer Bühne waren vorher die Staatssekretäre verantwortlich. Katja Hessel im Zeichen des Löwen, Stefan Rudolf im Namen der Robbe. Nun liegt es in der Natur der Sache, dass die Politik eh alles schön findet im eigenen Land, aber wer genau hinhört, vernimmt in den beiden Interviews mit dem Reiseradio auch durchaus viele selbstkritische Zwischentöne. Denn nötige Qualifikation und schlechte Arbeitsbedingungen der Beschäftigten verlangen nach politischen Rahmenbedingungen, die sich eben nicht so leicht erfüllen lassen mit Gute-Laune-Botschaften auf feierlichen Anlässen.

Einen feierlichen Anlass gab es sehr wohl beim Saisonauftakt in Bad Wörichshofen: die Verleihung des Bayerischen Innovationspreises für touristische Ideen, die sich von der Masse abheben. Wie man so hören konnte, war es für die Jury nicht gerade leicht, aus dem, was die Einreicher Ihnen an Urlaubsknallern vorlegten, das wirklich Zukunftsweisende herauszuschnüffeln… und der Preisträger ernte erst einmal ein verwundertes Raunen… Aber je länger man sich mit dem kleinen Projekt „Kulinarische Filmtage in Bad Feilnbach“ auseinandersetzt, umso mehr merkt man das Potenzial für künftige Vernetzungen auf der Grassroot-Ebene.

Der zweite Teil des Saisonauftaktes zog mich dann noch ganz in den Nordosten, auf die Insel Usedom. Dort sind gerade die Handwerker im Auftrage des ZDF dabei, die große Wasserbühne für die Sendungen zur Fußball-Europameisterschaft direkt neben die Seebrücke im Kaiserbad Heringsdorf zu zimmern. Wenn alles gut geht, und das Wetter wieder ein Fußball-Sommermärchen begleitet, dann werden die Insulaner TV-Bilder für Deutschland produzieren, die Marketing-Gold wert sind. Auch ein Weg, den Tourismus-Regionen immer stärker gehen müssen, um mit dem Angebot noch ins Wohnzimmer der Konsumenten zu dringen. Bloss: gar nicht auszudenken, wenn es im Juni regnen sollte und vor jeder abgesoffenenen ZDF-EM-Bühne der Werbetrailer von der Sonneninsel Usedom läuft. Aber daran denken wir nicht. Touristiker sind schließlich qua Profession Optimisten