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Die Flut der Null-Themen als ITB-PK’s

Lautsprecher 185 – Der „Was mit Reisen“-Standpunkt

drensek_kommentar

Mir geht es in diesen Tagen wieder so, wie den meisten Reisejournalisten in Deutschland: der Post-Eingangskorb quillt über mit Einladungen für die so ins Herz geschlossene Familienfeier ITB. Zum Glück ist der Korb ein digitaler, aber auch hier ist die Anzahl der Mails bisher weit über 100. Und die lieben Kollegen von fvw, Travel One und touristik aktuell werden sicher locker mit einem noch höheren Wert toppen können.

Leider verhält es sich mit den Einladungen zu Pressekonferenzen so, wie mit vielen PR-Mails generell: die Masse beeindruckt – jeden Tag flutet die touristische PR-Branche mich mit 150 bis 200 Elaboraten – aber die Verwertbarkeit ist deutlich reduziert.

Es ist natürlich das Jammern, wie jedes Jahr. Eine Messe ist halt eine Messe, ist eine Messe. Und jeder der über 10 000 Aussteller buhlt um ein bisschen journalistische Aufmerksamkeit. Aber trotzdem bin ich manchmal fassungslos, wie unkritisch Null-Themen zu Events aufgeblasen werden.

Da gibt es einmal die berüchtigten Länder-PKs. Da sitzt man in der Regel einem mehr oder weniger fachlich unbedarften, aber politisch wichtigem Menschen gegenüber, der oft englisch radebrechend die Schönheiten seines touristischen Kleinods belobhudelt. Zahlen sind in der Regel über ein Jahr alt – es ist halt ein Kreuz mit den Statistikern – und Nachfragen, womöglich sogar kritische, werden blumig nicht beantwortet oder weggelächelt. Das Wichtigste sind eh die Fotos, die der Hausfotograf macht, und die daheim beweisen, dass es tatsächlich eine Arbeitsreise ist, bevor Ministerchen sich der Attraktivität Berlins widmet. Der Artikel-Output dürfte übersichtlich sein; abgesehen von den Medien des Landes und den unermüdlichen Arbeitsbienen der offiziellen ITB Tagesberichte. Aber es gibt ein kleines Büffet. Leider nur von Capital Catering und damit in der Regel geschmacksneutral. Aber als Fachjournalist muss man das unter sozialen Gesichtspunkten sehen: die meisten der anwesenden sogenannten Kollegen hat man noch nie durch ihre Arbeit zur Kenntnis nehmen dürfen und freut sich, festzustellen, dass es trotz aller Unkenrufe zur Berufskrise anscheinend mehr Reisejournalisten gibt, als man denkt..

Nun kommen wir aber von der Pflicht zur Kür: den Pressekonferenzen einzelner touristischer Produkte. Vom schmucken Hotel, über den neuen Flugplan einer exotischen Inselairline, bis hin zum Radprogramm oder irgendwelchen Landpartien. Aus Höflichkeit gehe ich jetzt nicht ins Detail. Aber ich frage mich schon, wen ich mehr bedauern soll: die PR-Branche, die von ihren Auftraggebern genötigt wird, irgendwelche Themen zu erfinden, oder die frischgeföhnten Touristiker mit Botschaft, die leicht ernüchtert feststellen, dass ihre Neuigkeit im ITB-Grundrauschen untergeht und sich nur die Hanseln einfinden, die entweder hungrig sind (interessanterweise ballen sich alle Presseeinladungen morgens oder mittags), oder einfach mal nett Guten Tag sagen wollen, weil man sich eh kennt.

Warum glaubt ihr, dass jedes Ereignis, das schon grenzwertig interessant ist für eine Pressemeldung, auf einmal höhere Weihen dadurch bekommt, dass man die wenigen Fakten im Rahmen eines Pressegesprächs referiert..?

Und da kommt man leider zur Kritik an der PR-Branche. Es ist eben viel einfacher, Einladungen per kostenloser E-Mail im Giesskannen-Prinzip an die gesamte journalistische Reisewelt zu verschicken, als mit den Auftraggebern interessante Themen für ein Story-Telling herauszuarbeiten, und gezielt Hintergrundgespräche mit passenden Medienmenschen zu vereinbaren. Ja, das macht viel mehr Arbeit. Aber vielleicht würde es die journalistische Wertschätzung erhöhen, zu wissen, dass man an einem fest vereinbarten Timeslot komprimiert und aus Erster Hand die Fakten bekommt, die im besten Fall zu einer nachgelagerten Berichterstattung führen. In den anglo-amerikanischen Ländern ist diese Art von Speed-Dating bereits gut etabliert; mit gutem Feedback von beiden Seiten. Wäre mal eine Überlegung wert, liebe Öffentlichkeitsarbeiter. Auch 2016, glaube ich, findet die ITB wieder statt 🙂

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